J.W.: Lässt sich so Deine Faszination der alltäglichen Objekte in Deiner Arbeit erklären, wie z.B. die Verwendung von Kaffeemaschinen, Schwämmen, Kabelbindern oder Spülmitteln? Wie kommst du denn zu der Auswahl Deiner Objekte? Sind das Objekte, die Du in Deinem Atelier oder Haushalt findest?
A.L.: Das läuft nicht nach Lehrbuch, es gibt keine Liste, die ich abarbeite. Manchmal ist es der Baumarkt, der als Inspirationsquelle dient, oder ich sehe etwas im Schaufenster. Dann folgt eine Recherche – was für Modelle es gibt, wann wurden sie entworfen, woher sie kommen. Und dann folgt ein gezielter Kauf. Manchmal ist es aber auch einfach ein spontaner Fund. So sammle und archiviere ich fortlaufend Gegenstände und Ideen aus dem Alltäglichen.
J.W.: Verstehst Du diese Kernobjekte auch als Teil des Kunstwerks? Wenn Du etwas ausstellst, würdest Du es als Teil dessen mit ausstellen?
A.L.: In der Regel nicht. Ich sehe es aber als essenziell an, in meinen Arbeiten den Blick des Betrachters genau zu lenken. Das kann die Fotografie ganz gut. Da gibt es manchmal Ausnahmen, z.B. bei „mod.CLASSIC“ (2012), bei der Espressomaschine.
J.W.: Die Espressomaschine, die sich selbst ertränkt.
A.L.: Genau. Das ist eine zweiteilige Arbeit. Der eine Teil ist dieses Handbuch, das im Cover des Originalhandbuchs der Espressomaschine „mod. CLASIC“ von Gaggia gehalten ist und der zweite Teil ist die mit Espresso vollgelaufene Glashaube auf dem weißen Sockel. Durch das Volllaufen hat die Kaffeemaschine ihr eigenes Bild ausgelöscht. Somit habe ich sie als Skulptur zeigen können – das hat für mich wunderbar funktioniert.
J.W.: Hier funktioniert das, weil es die Veränderung in der Wahrnehmung, diese Irritation, immer noch gibt.
A.L.: Genau. Man weiß, die Kaffeemaschine hat sich darin ertränkt. Wie bleibt ein Rätsel. Darüber gibt das Buch einen lückenhaften Aufschluss, aber der Film läuft im Kopf ab.
J.W.: Wenn Du sagst, „das Wie bleibt ein Rätsel“: Gibst Du generell ungern Aufschluss darüber, wie Deine Werke entstanden sind, damit diese Wahrnehmungsveränderung, in diesem Fall die Täuschung ihre Wirkung behält?
A.L.: Ja, äußerst ungern. Es sind ja nicht irgendwelche Tricks, um die es geht. Sondern um die Leerstelle zwischen dem was man sieht und dem was man gerne gesehen hätte.
J.W.: Viele Deiner in Ausstellungen zu sehenden Fotografien zeigen Deine Objekte derart, als seien sie das Werk. Es scheint, als seien sie Skulpturen im realen Raum, wie bei „Kodak (Mono)“ (2019) oder „Do it“ (2016). Die Fotografie wirkt zuerst wie eine dokumentarische Abbildung einer Ausstellungssituation, als ob die Skulptur das eigentliche künstlerische Werk darstellt. Du spielst hier bewusst mit den verschiedenen Ebenen der Repräsentation. Wo hört die Fotografie auf und wo fängt die Bildbearbeitung an? Wenn Du „Do it“ als Momentaufnahme beschreibst, stellt sich mir die Frage, ob das Gaffatape kurzeitig tatsächlich im Raum stand, oder hast Du die Rolle fixiert?
A.L:. Die Rolle stand tatsächlich so da, wie sie in dem Bild zu sehen ist. Jeder Gegenstand wirft einen Schatten und jeder Gegenstand verdeckt das, was sich hinter ihm befindet. Und desto geringer der Betrachtungsabstand desto größer ist Fläche von dem was man nicht sieht. Das bedeutet, wenn man ganz nah an etwas dran ist, sieht man nichts mehr drum herum.