Roger Rohrbach im Interview

Anlässlich zur Ausstellung Ja, warum nicht? Ja? Warum nicht, die vom 31. August bis 17. September 2023 im Quartier am Hafen in Köln lief, wurde Roger Rohrbach interviewt. Über Rogers kuratorische Sichtweisen, Social-Media, die Bedeutung des Raumes und die Frage, was Imi Knoebel mit der Ausstellung zu tun hat.
Cihan Simsek: Kommen wir erstmal zu deiner letzten Ausstellung you can’t be pablo,if you ain’t sellin´. Wie ist die Idee dazu entstanden?

Roger Rohrbach: Das sind Kunstwerke, die ich interessant finde. Das Thema der Ausstellung war Arbeiten zu zeigen, die im digitalen Raum und in der Dokumentation nicht gut bestehen können, die eine Auseinandersetzung und gute „Inszenierung“ im Raum brauchen. Im Quartier am Hafen ist es möglich, diese Arbeiten zu verhandeln, kunsttheoretisch und konzeptueller zu arbeiten. Das Publikum ist auch ein anderes als im Museum oder in einer Galerie.

C.S: Und wie siehst du den Zusammenhang zwischen digitaler Rezeption auf der einen Seite und der Produktion von Kunst?

R.R: Ich glaube, dass es durchaus Auswirkungen hat. In der jetzigen Ausstellung gibt es eine Arbeit von Tobias Becker, die darauf anspielt. Da geht es um die Wahrnehmung von Medien und von Technik. Und oft ist es so: Wir erwarten etwas und es muss schnell sein. Alles muss schnell sein, wir sind ein Stück ungeduldiger geworden.

C.S: Was denkst du denn, welche Möglichkeiten soziale Medien bieten? Nicht nur für Kurator*innen, sondern auch für die Künstler*innen und die Ausstellungshäuser?

R.R: Die Möglichkeit Kontakte zu schließen und das bestehende Netzwerk zu erweitern ist definitiv da. Daneben gibt es noch die Möglichkeit zum digitalen Studiobesuch, das mach´ ich – bei großer Distanz und zuletzt in der Pandemie - auch gerne. Aber ich mag es mehr, dass die Leute zur Ausstellung kommen, dass man zusammen spricht, in einen Diskurs kommt.

C.S: Und wie ist die Verbindung zwischen der letzten Ausstellung you can´t be pablo, if your work ain´t sellin´ und Ja, warum nicht? Ja? Warum nicht? Bei der letzten ging es auch um Verkäuflichkeit von Kunstwerken und hier ist der Raum, wo die Kunstwerke nach einem Verkauf bleiben, ganz entscheidend.

R.R: Genau, in der letzten Ausstellung ging es ja auch darum: Wie kann man seine Kunst platzieren (auch im digitalen Raum). Wo funktioniert das und wo nicht? Und hier wird gefragt: Ok, was passiert mit den Arbeiten nach einem Ausstellungskontext und in Sammlungen. Dazu gibt es eine Art „Schauwand“, die einem White-Cube am ehesten ähnelt. Daher habe ich mich dazu entschlossen, für diese Arbeiten, die alle aus privaten Sammlungen kommen, eine Wand einzuziehen – oder besser gesagt, den vorhandenen Durchbruch zu schließen. Lustigerweise ist eine Arbeit von Archie Chekatouski dabei, die bei you can´t be pablo, if your work ain´t sellin´ noch aus dem Studio des Künstlers, und nicht aus einer Sammlung kam dabei. Wichtig war, dass die Wand schon da war. Das war ein Ausgangspunkt. Ich arbeite immer mit den Räumen, für die ich Ausstellungen mache und Künstler:innen einlade. Ich dachte der Durchbruch muss geschlossen werden, damit dieser „komische“ Einbau noch mehr zur Geltung kommt und es so dann auch die Möglichkeit für diese weiße Wand geben kann. Durch die Schließung der Wand, ist dann auch diese Kammer oder der „Wintergarten“ dahinter entstanden, indem Gegenstände, Arbeiten und eingepackte Kunstwerke regelrecht lagern. Was passiert mit den Werken? Wie gehen wir damit um, wenn sie nicht im privaten Raum oder einer Ausstellung/Sammlung präsentiert werden? Die verschiedenen Räume, die innerhalb der Ausstellung entstehen, sehe ich auch als Anknüpfung an die Atelierräume und deren unterschiedliche Nutzung als Studio, Tanzraum oder Archiv, wie das Performance-Archiv..

C.S: Wieso wird der Raum und dessen Variabilität hier so in den Fokus genommen?

R.R: Meine kuratorische Arbeit funktioniert so, dass ich mir die Räume vorher anschaue und diese auf mich wirken lasse. Das ist wichtig! So nehme ich Eindrücke, Gefühle oder in die Räume eingeschriebene Geschichten mit in meine Planung der Ausstellung auf. Die Räume, in denen wir – vor allem junge und zeitgenössische Kunst verhandeln – sind Räume, die schon einen Charakter mit sich bringen. Das finde ich wichtig. Eine Ausstellung in einer weißen Box ist für mich eine große Herausforderung. Eine Aufgabe ist es aber auch, mit diesem Raum zu arbeiten und die Exponate so zu zeigen, dass sie wahrgenommen und gut im Raum bestehen können. Ich weiß nicht, ob man die Ausstellungen, die ich im Quartier gemacht habe, auf andere Räume übertragen könnte.Von der einen oder anderen Stelle habe ich gehört, dass meine Konzepte im Quartier nicht funktionieren würden. Wenn man die Ausstellungen auf dem Papier, also noch in der ersten Konzeptionsphase oder in der digitalen Dokumentation sieht, mag das stimmen oder schwierig nachvollziehbar sein. Doch hier im Raum wird plötzlich klar: Doch das funktioniert! Meine Arbeitsweise ist da sehr vom Empfinden und Sehen geprägt und so sehe ich auch die Rezeption der Ausstellungen.

C.S: Welche Rolle spielt Imi Knoebel hierbei?

R.R: Innerhalb der Ausstellung und für die Arbeitsweise daran, eine ganz wichtige. Ich wollte, wie gesagt, mit dem Potenzial in diesem Raum arbeiten. Es gibt über achtzig Studios und jedes davon wird anders genutzt. KünstlerInnen, die mit Musik arbeiten, RestauratorInnen, Leute, die hier ein Lager haben, eine Werkstatt, ein Studio. Alles ist dabei! Der Raum hier ist der Ausstellungsraum des Hauses. Und dieses Potenzial, also dass sich der Raum so wandelt aufgrund der Materialien, die man hier im Raum verbaut sieht: Das wollte ich nutzen. Da habe ich mich auch an die Arbeit Raum 19 von Imi Knoebel erinnert, die ja auch im Raum 19 an der Kunstakademie Düsseldorf entstanden ist und wo mit Hartfaserplatten gearbeitet wurde. Die wurden von Knoebel so arrangiert, dass aus der Skulptur ein Bild wurde. Diese Arbeit wurde auch später häufig und in unterschiedlichen Fassungen ausgestellt. Das fand ich spannend. In der Ausstellung wollte ich das auf den Raum übertragen. Als Relikt aus Raum 19 und Raum 19 ist hier auch der Keilrahmen in der Ausstellung; das war das erste Objekt, was aus diesem Raum herausgenommen wurde und autark existierte. Und da geht es auch wieder um die Frage nach einem gegenstandslosen Bild, was durchaus auch in der Ausstellung you can´t be pablo, if your work ain´t sellin´ als Nebenstrang Thema wurde. Neben aller Hinführung: Ich mag es auch, wenn du als Betrachter:in weitere Perspektiven mit einbringst. Meine Gedanken kenn´ ich schon.

C.S: Du hast ja auch anlässlich der Ausstellung zu einem Austausch eingeladen, genauer ein Format vorgeschlagen, wo Kunsthistoriker:innen, Theoretiker:innen und Künstler:innen zum Austausch angeregt werden. Woher kommt das Interesse an diesem partizipativen Format?

R.R: Hier ist es so, dass dieser Austausch bis zum Ende des Jahres passieren soll. Damit möchte ich den starren Gedanken einer Ausstellung lockern. In den letzten Tagen von Ja, warum nicht? Ja? Warum nicht kam die Arbeit Central Shaft, 2021 von Caroline Streck, eine große Malerei (170 x 100 cm) in Acryl auf Leinwand zur Ausstellung dazu und wir hatten ein schönes Gespräch zum Werk, zum Raum und der Positionierung der Arbeiten. Das war toll! Der Austausch passiert eben auch wechselseitig. Mir ist das einfach wichtig. Ich will zum Gespräch einladen, will zum Austausch einladen. Die Räume und die Kunst, die gezeigt wird, sind dazu da, um zu verhandeln und zu experimentieren.

Titelbild: Imi Knoebel, Keilrahmen, 1968/1989, Holzobjekt, 30 x 30 x 2 cm, Auflage 1.000 + 270 AP, AP 116, handsigniert und nummeriert, Leihgabe aus Privatsammlung, Niedersachsen, Ja, warum nicht? Ja? Warum nicht, Foto: Philipp Valenta