Wahrnehmung. Ein Gespräch mit Claudia Robles-Angel

Interaktion und Kommunikation, der menschliche Körper und digitale Geräte: Anlässlich der Offenen Ateliers spricht Claudia Robles-Angel im Dialog mit Katrin Engelmann über das Potenzial des Körpers als audiovisuelles Instrument.
Katrin Engelmann: Hallo Claudia, gerade erst bist Du ins Atelierhaus eingezogen. Ein doppelter Dank also für die spontane Möglichkeit zu diesem Interview! Könntest Du zum Einstieg kurz skizzieren, wie Dich Dein Weg nach Bonn geführt hat?

Claudia Robles-Angel (CRA): Natürlich. Ich komme aus Kolumbien, in Deutschland bin ich seit 2001. Momentan wohne ich in Köln. Seit einigen Jahren schon habe ich verschiedene Projekte mit dem Bonner Künstlerforum realisiert, dort selbst kuratiert oder performt. Die räumliche Nähe zum Bonner Kunstverein ist seit dieser Zeit da.

K.E.: Auf deiner Homepage (www.claudiarobles.de) beschreibst Du Dich als Audiovisual and New-Media Artist. Es finden sich dort Videos von Performances und Installationsansichten, die suggerieren, dass Deine Arbeiten ein weites klangliches und visuelles Spektrum abdecken. Wo genau liegen Deine Interessen?

C.R-A.: Ich interessiere mich für Wahrnehmung. Sie ist die Basis. Von der Idee bis zum fertigen Kunstwerk arbeite ich interdisziplinär. Ein Teil meines Werks bilden Arbeiten, die nicht interaktiv sind. In diese Kategorie fallen Kompositionen, audiovisuelle oder akusmatische Musikkompositionen. Ich nenne sie „Fix Medien“. Sie komponiere ich im Studio. Daneben interessiert mich besonders das „Un-Wahrgenommene“. Prozesse, die im alltäglichen Leben subtil ablaufen. Ich suche Klänge, Bilder und Oberflächen, denen man normalerweise keine große Beachtung schenkt. In meinen interaktiven Arbeiten gehe ich noch einen Schritt weiter, aber mit dem Körper. Manche Abläufe im Körperinneren nimmt man nicht wahr, sie passieren einfach, z.B. der Herzschlag und die ganze Fluktuation, die dort beständig abläuft. In meinen interaktiven Arbeiten nehme ich diese wahr.
K.E.: Lassen sich diese interaktiven Arbeiten kategorisieren und in welchem Verhältnis stehen sie zum Betrachter?

C.R-A.: Einige der interaktiven Arbeiten sind Performances, andere Installationen. Angefangen habe ich mit Performances. In ihnen arbeite ich mit einem Fokus auf Bio Medical Signals. Dabei nutze ich physiologische Parameter des Körpers. Ihre Werte messe ich und nutze sie, um die Umgebung klanglich und visuell zu verändern. Irgendwann wollten die Betrachter dann meine Performances selbst ausprobieren. In diesem Moment habe ich angefangen, jeweils eine Version Performance, eine Version Installation für den Betrachter und eine Version Objekt für den Galeriebetrieb zu entwickeln.

K.E.: Welche Version von „SKIN“ hast du im März 2019 ins Künstlerforum gebracht?

C.R-A.: Das war die Performance! In SKIN benutze ich ein Gerät namens GSR (Galvanic Skin Response), welches die Hautfeuchtigkeit misst. In der Performance kreiere ich eine Situation, in der ich versuche, mich in verschiedenste emotionale Zustände zu bringen. Von Stress bis Ruhe.

K.E.: Jenes GSR-Gerät ist ein Teil Deiner Performance. Wie viel Gewicht misst Du Technik bei?

C.R-A.: Interfaces wie das GSR nutze ich, um subtilste Fluktuationen im Körper zu messen. Die Frequenzen sind da oft sehr niedrig. Ich sehe diese Geräte als Hilfsmittel. Für mich sind sie Mediatoren, wie die Maus, die wir benutzen, um mit dem Computer zu kommunizieren. Die Interfaces, die ich nutze, dienen der Kommunikation zwischen den innerlichen Fluktuationen des Körpers und der äußeren audiovisuellen Umgebung.
K.E.: Also gehen Kunst und Wissenschaft bei Dir Hand in Hand?

C.R-A.: Ja! Meine Arbeit ist eine Kombination aus Kunst und Wissenschaft. Dabei liegt mein Forschungs-Schwerpunkt im Bereich der Messung physiologischer/neurologischer Parameter durch verschiedene Interfaces. Diese erstrecken sich von Muskelspannung bis zu Gehirnaktivitäten.

K.E.: Neben dem Visuellen ist der Klang elementar in Deinen Arbeiten. Gibt es dort eine Hierarchie?

C.R-A.: Nein, beide sind gleichwertig und gleich wichtig. Zwar liegen meine Wurzeln in der visuellen Kunst, doch irgendwann kam der Klang als Element bei mir hinzu. Deshalb habe ich dann auch elektronische Musik studiert. Für mich sind beide Elemente immer dabei.

K.E.: Welche Botschaft soll Dein Werk dem Betrachter vermitteln? Wie soll es bestenfalls wahrgenommen werden?

C.R-A.: Ich verstehe es als Einladung wahrzunehmen, was in uns passiert! Es geht um Körperwahrnehmung! Die ganzen Parameter, die ich aufwendig messe, sind emotionale Zustände. Oft wissen wir ja gar nicht, wie viel Stress wir im Körper haben...

K.E.: Eine Einladung also, um Emotionen besser deuten und lokalisieren zu können?

C.R-A.: Ja, genau. Die Wahrnehmung steht im Zentrum.
K.E.: In MINDSCAPE versuchst Du, Deine emotionalen Zustände zu kontrollieren.

C.R-A.: Richtig. MINDSCAPE entstand während meiner Zeit als Artist in Residence der IK Foundation in Vlissingen, Holland. Mit dem EEG (Elektroenzephalografie) hatte ich schon in anderen Performances Erfahrungen gesammelt. Für den speziellen Raum dort war Licht ein wichtiger Faktor. In dieser Arbeit zeige ich den Rhythmus von Klang und Licht auf, indem ich versuche, meine emotionalen Zustände zu beherrschen. Was mir an dieser Arbeit besonders gut gefällt ist, dass es mir nicht zu 100% gelingt. Man kann Gehirnaktivitäten einfach nicht komplett kontrollieren.

K.E.: Wie fühlst Du Dich während Deiner Performances?

C.R-A.: In den Performances probiere ich mich aus. In sie stecke ich meine persönlichen Emotionen. Sie sind etwas sehr Intimes. Natürlich affektieren sie auch den Betrachter! Ich versuche mich in emotionale Zustände zu bringen, die sich auf den Körper des Betrachters transformieren lassen. Die Zuschauer sind nicht direkter Teil meiner Performances, sie machen nicht aktiv mit, doch sie spüren meine Emotionen in ihren Körpern.

K.E.: Im Gegensatz zu SKIN oder MINDSCAPE lädt die Installation LEIKHĒN unmittelbar zur Interaktion ein.

C.R-A.: Bei LEIKHĒN hat mich das Konzept der symbiotischen Gemeinschaft von Flechten inspiriert. Zwei Organismen gehen zusammen. Diese Installation ist ortsspezifisch für einen besonderen Raum in Zürich entstanden. Ein wunderbarer Raum mit drei Panorama-Touchscreens. Da geht es um die Frage, wie wir mit Raum umgehen. Die Art und Weise des Umgangs eines Besuchers mit den Screens beeinflusst unmittelbar die Wahrnehmung des gesamten Raumes einer weiteren Person, die sich z.B. in der Mitte der Installation befindet.

K.E.: Hast Du eine Vorliebe für raumbezogenes Arbeiten?

C.R-A.: Der Raum ist für mich ein sehr wichtiges Element. Natürlich kann ich auch im Galerie-Setting arbeiten, aber ich finde es sehr interessant, Arbeiten für einen spezifischen Raum zu modellieren. So wie in der St. Gertrud Kirche. Meine Installation WEB-MINDESCAPE habe ich für diesen Ort neu gestaltet. Ich habe sie bewusst anders installiert. Das Spiel mit dem Raum gefällt mir. Wenn ich die Möglichkeit bekomme, dann spiele ich mit ihm.

K.E.: Ein kurzer Blick in die Zukunft: Wie sehen Deine Pläne für Deine Zeit im Atelierhaus des Bonner Kunstvereins aus?

C.R-A.: (lacht) Ich bin gerade erst eingezogen! Für das Atelierhaus-Wochenende werde ich Beispiele meiner Arbeiten in einer sehr lockeren Atmosphäre zeigen. Die Licht-Situation in meinem Atelierraum ist exzellent. Gerade bin ich sehr froh, dass ich hier im Keller bin. Das Element Licht ist wichtig für meine Arbeiten und für ihre Präsentation. Aktuell arbeite an einem neuen Projekt und es soll auf jeden Fall dieses Jahr noch stattfinden. Als Interface werde ich mit einem EKG (Elektro-Kardiogramm) arbeiten. Aber ich will nicht zu viel verraten! Lasst Euch überraschen!

K.E.: Vielen Dank für Deine Zeit, liebe Claudia!
Kathrin Engelmann
Kathrin Engelmann
Doktorandin bei Frau Prof. Anne-Marie Bonnet, Universität Bonn.