Raum, Klang, Kunst. Ein Interview mit Philipp Hawlitschek.

Im Rahmen der Offenen Ateliers ist LeFlash dieses Mal bei Philipp Hawlitschek, dem ersten Preisträger des Sonotopia-Wettbewerbs 2016 für installative Klangkunst der Beethovenstiftung Bonn und seit 2017 Stipendiat im Atelierhaus des Bonner Kunstvereins. Im Interview, geführt von Philipp Wendt, erklärt er uns, was für seine Arbeiten ausschlaggebend ist, welche Materialien er verwendet und gewährt Einblick in ein bisher noch geheimes Projekt.
Philipp Wendt: Du beschreibst in Deinem Portfolio, was man auf Deiner Internetseite www.philipphawlitschek.de einsehen kann, unter anderem das Annehmen von Angeboten und das Ausloten von Potentialen des Raumes, in welchem ein Objekt, indem es klingt, in seiner spezifischen Materialität wirksam wird. Was bedeutet dabei Stille für Dich? Ist sie Voraussetzung für die Wahrnehmung des Raumes? Was bedeutet in diesem Prozess der Raum selbst?

Philipp Hawlitschek: Zu Beginn muss man festhalten, dass es absolute Stille nicht wirklich gibt, weil es keinen Ort gibt, an dem nichts ist. Genau das ist der Punkt, an dem ich meine Arbeit ansetze. Einen Raum, der mich interessiert, den beobachte ich zu Beginn; ich schaue, was man hören kann, welche Atmosphäre vorherrscht und was sonst noch in diesem Raum passiert. Darauf ausgerichtet entwickele ich dann meine Arbeit. Deswegen ist es nicht so, dass ich erst in meinem Atelier etwas baue, mir dann denke, dass es toll klingt, und es dann erst im zweiten Schritt in einem Raum aufstelle – womit der Raum dem Werk untergeordnet wäre. Vielmehr wird das Werk auf eine spezifische Raumsituation angepasst, besser gesagt „gestimmt“. In diesem Sinne verstehe ich mein Werk als Instrument, welches „abgestimmt“ mit dem Raum interagiert.
P.W.: Geht es also primär um die Individualität des Raumes? Oder verallgemeinert gesagt, um die Individualität der Voraussetzung von Klängen bei Deiner Arbeit?

P.H.: Genau.

P.W.: Im Zuge der Vorbereitungen des Interviews schriebst Du mir, dass die Besucher der Offenen Ateliers in diesem Jahr keine vollendeten Arbeiten zu sehen bekommen. Du planst, Vorstudien – in Form von Zeichnungen und Fotografien – zu einem aktuellen „work in progress“ zu zeigen. Erste Einblicke in ein Werk, das ab September 2019 in Köln erfahrbar sein wird. Worum handelt es sich bei diesem „work in progress“?

P.H.: Es handelt sich dabei um ein Skulpturenprojekt, das jedes Jahr, seit bestimmt schon 15 Jahren, im Vorgebirgspark in Köln von vier ausgewählten Künstlern realisiert wird. Das Besondere an dem Projekt ist, dass es sich nur um einen Tag handelt, an dem es stattfindet. Die Künstler konzipieren für diesen einen Tag Installationen, bauen diese an diesem einen Tag auf und am nächsten wieder ab – verrückt, aber genau deswegen auch schön. Schön, weil man sich viel Mühe für einen, im wahrsten Sinne des Wortes einzigartigen Moment im Jahr macht.
P.W.: Vergängliche Einzigartigkeit sozusagen. Wie genau wirst Du Dein Werk in diesem Kontext realisieren?

P.H.: Bei dem Vorgebirgspark handelt es sich um einen Park eines preußischen Obergartenmeisters, dessen Aufteilung die Besonderheit ist. In einem dieser vier Teile befindet sich ein großes Wasserbecken, für welches ich gerade eine Arbeit entwickele. Derzeit arbeite ich mit Klangerzeugern, die grundsätzlich wie große Orgelpfeifen funktionieren, doch anders als diese erst durch die Hinzunahme von kleineren Ventilatoren erklingen. Vorgesehen ist, dass ich diese Klangkörper in dem Wasserbecken positioniere. In der Kombination von minimierten, durch Ventilatoren klangerzeugende Orgelpfeifen mit Wasser, möchte ich das Wasserbecken dafür nutzen, die Pfeifen zu stimmen. Ausschlaggebend ist hierbei die Tiefe, in der ich die Klangkörper positionieren werde – je kleiner die Luftsäule, desto höher ist der Klang. Es handelt sich also um ein explizites Beispiel für meine Arbeit: Darum, wie man individuelle Raumpotentiale nutzen kann.

P.W.: Deinen Arbeiten kann man entnehmen, dass Du auf Motoren, Stahlstangen, Aluminiumrohre oder Magnete zurückgreifst, um in der Bewegung kleine Variationen von Klängen zu erzeugen. Wirst Du bei dem Werk für den Vorgebirgspark ähnliche Materialien verwenden?

P.H.: Versichern kann ich aktuell nichts, da sich im Werkprozess gerne etwas ändert, da einem immer wieder neue Ideen kommen. Mein erster Gedanke war und ist es noch, dass ich große Aluminiumrohre verwenden möchte, da ich sie noch von anderen Arbeiten besitze. Auf der anderen Seite haben erste Tests ergeben, dass ich eventuell doch lieber auf Holz oder Kupfer zurückgreifen möchte. Du siehst, es gibt sehr viele Möglichkeiten. In Bezug auf die Größe habe ich auf jeden Fall zwei bis drei Meter große Klangkörper vor Augen, da das Becken circa 30 Meter lang ist.

P.W.: Du erwähntest, dass Du eventuell aus vergangenen Arbeiten Material benutzen wirst. Ist die Wiederverwendbarkeit von alten Materialien ein wichtiger Aspekt bei Deinem Wirken?

P.H.: Es ist jetzt kein wichtiges Konzept, jedoch kommt das oft vor. Der Grund dafür liegt darin, dass im Gegensatz zu anderen künstlerischen Arbeiten meine Arbeiten nicht absolut sind, da ich sie auf einen Raum hin ausrichte und es keinen Grund gibt, sie nicht wieder abzubauen. In der Malerei hingegen trägt man beispielsweise Farben auf, die anschließend nur noch übermalt, selten jedoch gänzlich entfernt werden können, sodass am Ende wieder eine weiße Leinwand zu sehen ist. Das Material ist für mich nur das Material und nichts Überhöhtes. Daher kann es durchaus vorkommen, dass Materialien vergangener Arbeiten mal zwei bis drei Jahre bei mir im Atelier verweilen, bis ich merke, dass sie für eine neue Arbeit geeignet sind.

P.W.: Nochmal zurück zu deinem „work in progress“: Was erwartet die Besucher der Offenen Ateliers, wenn es erst im September diesen Jahres für einen Tag in Köln realisiert wird?

P.H.: Mir geht es darum, Arbeitsschritte und Konzeptideen, primär in Form von Skizzen, zu präsentieren. Da ich bei den Offenen Ateliers schon im Werkprozess fortgeschritten sein werde, ist es wahrscheinlich, dass ich auch technische Demonstrationen zeigen kann. Eine Auswahl meiner selbstgebauten Instrumente werde ich auch zeigen. Es geht jedoch nicht um ein vollendetes Werk, sondern vielmehr darum, sich vorzustellen, wie das endgültige Werk aussehen soll und wie ich im Allgemeinen überhaupt arbeite.

P.W.: Dies macht ja auch den besonderen Reiz der Ateliersbesuche aus. Wie man ganz gut sehen kann, steht bei dir die Raumerfahrung durch akustische Wahrnehmung im Vordergrund. In Bezug darauf wäre es interessant zu erfahren, ob deiner Meinung nach eine akustische Wahrnehmung des Raumes mehr Wert hat als eine rein visuelle Erfahrbarkeit des Raumes? Kann man diese zwei Wege der Wahrnehmung überhaupt miteinander vergleichen?

P.H.: Mir ist es wichtig hervorzuheben, dass es nicht nur um die Klänge geht, sondern um die Gesamtheit einer Erfahrung, die man im Raum macht. Damit gemeint ist, dass die Klänge in meinen Arbeiten durch Rauminstallationen erzeugt werden, wodurch man sowohl eine akustische als auch eine visuelle Erfahrbarkeit des Raumes hat. Erst in ihrem Gesamtzusammenhang ist sie komplett. Anders gesagt: Man ist ja nicht nur mit den Ohren an einem Ort, sondern physisch, also mit eigentlich allen Sinnen. Genau dieses Vorort-Sein, das ich in meinen Arbeiten thematisiere, kann nur dann vermittelt werden, wenn ich mehr als nur den Hörsinn anspreche. Als Klangkünstler interessiere ich mich zwar primär für den Klang. Jedoch bietet für mich das durch die Installationen visuell erfahrbare Vorhandensein der Töne im Raum die Möglichkeit, noch tiefer in dessen Atmosphäre einzutauchen. Die technische Erzeugung der Klänge, sei es durch kleinere Motoren oder Magnete, ist für mich jedoch nicht ausschlaggebend, wenn es um die Frage geht, ob ein Werk gelungen ist.

P.W.: Zuletzt noch perspektivisch gesehen: 2017 hast Du das Ateliersstipendium des Bonner Kunstvereins erhalten – wie sehen deine Pläne für Deine Zeit danach aus bzw. welche Projekte planst du gerade?

P.H.: Aktuell toure ich mit dem Kollektiv SPEMAKH, zu deren neuer Platte ich bei den Offenen Ateliers ebenfalls eine Vorschau zeigen werde. Bei SPEMAKH handelt es sich um eine Gruppe von sechs Freunden inklusive mir. Gegründet haben wir uns in Saarbrücken, weil wir dort für einen kurzen Moment alle gleichzeitig gewohnt haben. Zu den Mitgliedern der Gruppe zählen unter anderem studierte Musiker, ein Logopäde, aber auch andere Klangkünstler. Seit circa zwei oder drei Jahren geben wir alle paar Monate Konzerte und versuchen, einmal jährlich eine Tour zu organisieren. Besonders an unseren Auftritten ist, dass es sich um eine rein freie Improvisation handelt und nicht um feste Stücke und Absprachen, die wir präsentieren. Im Vordergrund steht vielmehr eine Art Aktion und Reaktion – eine Unterhaltung mit Klängen.

P.W.: Der Klang scheint also nicht nur Vermittler zur Raumerfahrung, sondern auch Verbindungsglied zwischen Deiner Kunst und Deinem Privatleben. Danke Philipp, dass Du Dir Zeit genommen hast. Ich wünsche Dir ganz viel Erfolg für September 2019 und für die kommenden Konzerte von SPEMAKH!