NEONGRAY – Im Gespräch mit Anthony DiPaola

NEONGRAY: Zum Bonner SaisonSTART zeigen die Fotografin Christine Steiner und der Maler Anthony DiPaola einen medienübergreifenden Dialog ihrer Werke. Miriam Schmedeke traf den gebürtigen New Yorker DiPaola in den Ausstellungsräumen der Fabrik45 und sprach mit ihm über seine künstlerische Entwicklung, den Rassismus in Sprachspielen und die Einflüsse der Fotografie.
Le Flash: Bevor wir über Deine ganz neuen Arbeiten sprechen, möchte ich zunächst auf die Ausstellung eingehen, die ebenfalls Fotografien von Christine Steiner zeigt. Wie ist diese Kooperation entstanden?

Anthony DiPaola: Ich kenne Christines Arbeiten seit 2012. Damals haben wir beide in der Fabrik45 ausgestellt und wurden nun zum 5-jährigen Jubiläum wieder eingeladen. Seit über einem Jahr diskutieren wir schon diese Ausstellung und haben gemeinsam über unsere Medien nachgedacht und wie wir sie diesmal am besten zusammen präsentieren können.

Le Flash: Und welches Konzept habt ihr dabei erdacht?

Anthony DiPaola: Wir haben kurz darüber nachgedacht, die verschiedenen Medien direkt nebeneinander zu hängen. Allerdings erschien uns die Aufteilung auf zwei Etagen dann doch besser. So kommen die jeweiligen Stärken besser raus und ergänzen sich unserer Meinung nach intensiver.
Le Flash: Worin ergänzen deiner Meinung nach die Fotografien deine Malerei?

Anthony DiPaola: In der Auseinandersetzung mit Christines Fotografien ist mir vor allem die Dualität der Räume ins Auge gefallen. Die verschiedenen Ansichten von Büroräumen zeigen Orte, die normalerweise voller Leben, Stress und Bewegung sein müssten. In den Aufnahmen sind sie jedoch komplett leer und leblos. Sie wirken beinahe ruhig und ihre Farbigkeit erinnert mich an viele meiner Bilder. Zu Beginn unserer Kooperation habe ich mich intensiv mit der Farbe Weiß beschäftigt, auf der Suche nach Differenzierung und Kontrast. Auch die Dualität von Christines Fotografien findet sich in anderer Form oft in meiner Malerei wieder. Bei mir ergibt sie sich aus Sprache und Farbe, aus der Sprache selbst oder nur aus der Farbe. Sie nimmt einen großen Stellenwert in meiner Malerei ein.

Le Flash: Die erst kürzlich entstandenen Bilder zeigen keine Kreise mehr und aus dem puren Weiß ist ein größeres Farbspektrum erwachsen. Hat die Gegenüberstellung mit dem Medium der Fotografie deine Arbeitsweise und Wahrnehmung deiner Malerei verändert?

Anthony DiPaola: Ja, vor allem die drei Bilder im Hauptraum zeigen dies sehr schön. Für mich ist das Atmosphärische in Christines Fotografien ein weiterer wichtiger Impuls gewesen und je weiter ich mit meinen Vorbereitungen vorangeschritten bin, desto wichtiger wurde für mich der Raum zwischen den Dingen, also zwischen den Polen der Ruhe und der Bewegung. Zuvor war, wie gesagt, der Kontrast sehr präsent. Die Räume von Christine lassen einen großen Raum zwischen ihrer eigentlichen Funktion und ihrem Erscheinen auf den Bildern entstehen. Ich begann diese Atmosphäre in meiner Malerei einzufangen. Ganz anders als Christine bewege ich mich dabei im Bereich des Grafischen bzw. Sprachlichen mit der Schrift und im Bereich der Farbe, wodurch vielfältige Zusammenhänge entstehen. Anstatt mich der Dualität anzunehmen, habe ich in den neuesten Arbeiten den Mittelweg gesucht. Das war eine Herausforderung für mich, da zuvor die Extreme Schwarz und Weiß sehr präsent waren. Diese Herausforderung hat mich bis kurz vor Eröffnung sehr beschäftigt, ein Bild ist daher immer noch nicht ganz trocken.
Le Flash: Du arbeitest schon lange mit Sprache in deinen Bildern, die oftmals Bedeutungen von Wörtern hinterfragen oder in einem anderen Licht erscheinen lassen. In den neuen Arbeiten White Washed und 13 Black Kettles stellst du alltägliche Redewendungen mit den Wörtern „black“ and „white“ rassistischen und nationalistischen Formulierungen gegenüber. Wie verhält sich hier der erschreckende Kontrast in den Wortbedeutungen zu der Farbe und wo liegt da der Mittelweg?

Anthony DiPaola: Diese Arbeiten sind sehr wichtig für mich. Gerade die Redewendung „white flight“, die vor allem in New York sehr üblich ist. Gemeint ist das fluchtartige verlassen von Weißen, sobald dunkelhäutige Familien beginnen, dasselbe Viertel zu bewohnen. Ich habe hier ganz bewusst von den Extremen in der Farbigkeit Abstand genommen und braune, blaue und graue Farbfelder eingefügt, um die eben genannten Zwischenräume zu betonen. Meine Frage war: „Wie viele Farben stecken in den Worten Weiß oder Schwarz?“ Die Bilder zeigen, dass in den Wörtern ganz viele Farben stecken. Sie sind eigentlich bunt! Die Verbindung von Sprache und Farbe ist in diesen beiden Arbeiten daher elementar. Gerade in der aktuellen Zeit sind diese Differenzierungen und Zwischenräume meiner Meinung nach sehr wichtig und liegen mir als Amerikaner, der in Europa lebt, sehr am Herzen. Diese Arbeiten sollen zeigen, dass zwischen diesen Redewendungen ganz viel Raum liegt, der bunt und vielfältig ist.

Le Flash: Ich würde dich gerne noch auf ein bestimmtes Bild ansprechen. „Panopticon“ ist auch eines der ganz frischen Bilder. Der Titel verweist u.a. auf eine bestimmte Bauweise von Gefängnissen als Rotunde, die eine maximale Überwachung von vielen durch wenige ermöglichen sollte. Das Bild an sich zeigt jedoch Rechtecke in verschiedenen Weiß-, Blau- und Braun-Tönen und vereinzelte Flächen mit verschiedenen Stoffen, die nachträglich aufgeklebt wurden. Wie kann man den Titel verstehen?

Anthony DiPaola: Ich habe in meinem Zeichenkurs beobachtet, dass viele Studenten das Format DIN-A4 als selbstverständlich nehmen und beinahe aus dem Kopf ein maßstabsgetreues Rechteck zeichnen können. Das weiße Rechteck war auch der Ausgangspunkt für diese Arbeit. Jedoch habe ich davon ausgehend andere Formate und andere Farben hinzugefügt, um diese Beschränkung aufzulösen. Sie machen das Bild dynamischer und öffnen unseren Blick für die vielen Möglichkeiten außerhalb der Norm. Aus einem weißen Stück Papier erwächst ein dynamisches Spielfeld. Während meiner starken Beschäftigung mit der Farbe Weiß zu Beginn des Jahres war auch die ursprüngliche Leinwand ein großer Bestandteil meines Arbeitsprozesses. Das sieht man sehr gut an Arbeiten wie „eclipsed ellipse“. Ausgehend von der Beschränkung habe ich mich gefragt: Was ist die Oberfläche? Was ist der Ursprung? Die Beantwortung ist bei dieser Arbeit sehr schwer und wird obsolet, denn die Felder überlagern sich, gehen ineinander über und bilden viele neue Flächen. Vieles Engstirnige kommt aus der Vorstellung eines eingesperrten Blickes heraus, weswegen ich dieses Bild „Panopticon“ genannt habe.
Le Flash: Wo knüpfst du nach dieser Ausstellung an? Geht dein Arbeitsprozess von extremer Dualität über Mittelwege und Zwischenräume in eine bestimmte Richtung weiter?

Anthony DiPaola: Die Antwort steckt in „Panopticon“. Ich möchte jetzt gerne eine Experimentserie mit Schwarz beginnen. Sie wird mit verschiedenen Medien zu tun haben. Ich habe seit Jahren nicht mehr mit der Technik der Collage gearbeitet und bei diesem Bild erstmals wieder ein anderes Material auf der farbigen Fläche angebracht. Meine Beschäftigung mit der Oberfläche hat mir den Anstoß dafür gegeben und ich habe mich in letzter Zeit stark mit Robert Rauschenberg und seinem Bild-Raum-Gefüge auseinandergesetzt.

Le Flash: Würdest du sagen, dass die gemeinsame Ausstellungssituation mit Christine Steiner ebenfalls dazu beigetragen hat?

Anthony DiPaola: Das ist schwierig zu sagen. Wir haben vorhin auch kurz über Räumlichkeit gesprochen. Vielleicht ist es wirklich der Raum in den Fotografien, der mich dazu anregt, den Raum meiner Malerei über die Oberfläche hinaus noch einmal neu zu denken und damit auch die Beziehung zum Subjekt, die in meinen Bildern durch die sprachliche Ebene schon immer sehr dominant war.

Le Flash: Vielen Dank für das Gespräch und euch weiterhin viel Erfolg für die Ausstellung.
NEONGRAY: Christine Steiner & Anthony DiPaola
8. September 2017 bis 17. September 2017
Fabrik45, Hochstadenring 45, 53119 Bonn

www.christine-steiner.de | http://www.anthonydipaola.com