Le Flash: Du arbeitest schon lange mit Sprache in deinen Bildern, die oftmals Bedeutungen von Wörtern hinterfragen oder in einem anderen Licht erscheinen lassen. In den neuen Arbeiten White Washed und 13 Black Kettles stellst du alltägliche Redewendungen mit den Wörtern „black“ and „white“ rassistischen und nationalistischen Formulierungen gegenüber. Wie verhält sich hier der erschreckende Kontrast in den Wortbedeutungen zu der Farbe und wo liegt da der Mittelweg?
Anthony DiPaola: Diese Arbeiten sind sehr wichtig für mich. Gerade die Redewendung „white flight“, die vor allem in New York sehr üblich ist. Gemeint ist das fluchtartige verlassen von Weißen, sobald dunkelhäutige Familien beginnen, dasselbe Viertel zu bewohnen. Ich habe hier ganz bewusst von den Extremen in der Farbigkeit Abstand genommen und braune, blaue und graue Farbfelder eingefügt, um die eben genannten Zwischenräume zu betonen. Meine Frage war: „Wie viele Farben stecken in den Worten Weiß oder Schwarz?“ Die Bilder zeigen, dass in den Wörtern ganz viele Farben stecken. Sie sind eigentlich bunt! Die Verbindung von Sprache und Farbe ist in diesen beiden Arbeiten daher elementar. Gerade in der aktuellen Zeit sind diese Differenzierungen und Zwischenräume meiner Meinung nach sehr wichtig und liegen mir als Amerikaner, der in Europa lebt, sehr am Herzen. Diese Arbeiten sollen zeigen, dass zwischen diesen Redewendungen ganz viel Raum liegt, der bunt und vielfältig ist.
Le Flash: Ich würde dich gerne noch auf ein bestimmtes Bild ansprechen. „Panopticon“ ist auch eines der ganz frischen Bilder. Der Titel verweist u.a. auf eine bestimmte Bauweise von Gefängnissen als Rotunde, die eine maximale Überwachung von vielen durch wenige ermöglichen sollte. Das Bild an sich zeigt jedoch Rechtecke in verschiedenen Weiß-, Blau- und Braun-Tönen und vereinzelte Flächen mit verschiedenen Stoffen, die nachträglich aufgeklebt wurden. Wie kann man den Titel verstehen?
Anthony DiPaola: Ich habe in meinem Zeichenkurs beobachtet, dass viele Studenten das Format DIN-A4 als selbstverständlich nehmen und beinahe aus dem Kopf ein maßstabsgetreues Rechteck zeichnen können. Das weiße Rechteck war auch der Ausgangspunkt für diese Arbeit. Jedoch habe ich davon ausgehend andere Formate und andere Farben hinzugefügt, um diese Beschränkung aufzulösen. Sie machen das Bild dynamischer und öffnen unseren Blick für die vielen Möglichkeiten außerhalb der Norm. Aus einem weißen Stück Papier erwächst ein dynamisches Spielfeld. Während meiner starken Beschäftigung mit der Farbe Weiß zu Beginn des Jahres war auch die ursprüngliche Leinwand ein großer Bestandteil meines Arbeitsprozesses. Das sieht man sehr gut an Arbeiten wie „eclipsed ellipse“. Ausgehend von der Beschränkung habe ich mich gefragt: Was ist die Oberfläche? Was ist der Ursprung? Die Beantwortung ist bei dieser Arbeit sehr schwer und wird obsolet, denn die Felder überlagern sich, gehen ineinander über und bilden viele neue Flächen. Vieles Engstirnige kommt aus der Vorstellung eines eingesperrten Blickes heraus, weswegen ich dieses Bild „Panopticon“ genannt habe.