Von Wachs und Wissenschaft. Ein Gespräch mit Kathrin Graf

Le Flash ist wieder zu Gast im Atelier! Diesmal bei der Bonner Künstlerin und Atelierhaus-Stipendiatin Kathrin Graf (*1984). Im Interview, geführt von Tina Gansel, erfahren wir allerhand über aktuelle Projekte, Zukunftspläne und den Blick der Künstlerin auf die Kunstszene in Deutschland.
Le Flash: Dein Werk erstreckt sich thematisch über ein weites Feld, das die klassischen Grenzen der Kunst immer wieder neu umreißt. Neben kunsthistorischen Referenzen suchst Du auch im naturwissenschaftlichen Kontext Anknüpfungspunkte. Welche Rolle spielt das Forschen und Entdecken für Deine Arbeit?

Kathrin Graf: Eine sehr Große! Es ist mir wichtig, das Bewusstsein und die Wahrnehmung zu schärfen. Gerade das Experimentieren nimmt einen großen Raum ein, dieser Prozess ist enorm wichtig. Ich finde es spannend, mich an andere Gebiete zu wagen und Verknüpfungen über den Kunstbereich hinaus herzustellen. Auch die Naturwissenschaft zeichnet sich durch Erproben und Forschen aus. In den Wissenschaften geht man jedoch von etwas Empirischem aus, wohingegen meine Arbeit vor allem durch das Intuitive geleitet wird, was man wortsprachlich nicht immer gänzlich erfassen kann. Ich mag es, mit diesen beiden Seiten zu spielen und Parallelen herzustellen.


Le Flash: Gerade die jüngsten Papierarbeiten, die zuletzt in Budapest zu sehen waren, haben eine unglaubliche Anziehungskraft auf den Betrachter, da sie durch strahlende Farben und überlagerte Motive fesseln und den Betrachter zum Erkunden einladen. Mit welcher Idee ist diese Serie entstanden und welchen Stellenwert hat diese Vielschichtigkeit?

Kathrin Graf: Die Vielschichtigkeit kann hier auf jeden Fall als Hauptmerkmal begriffen werden. Ich arbeite gerne mit Ebenen, visuellen und ästhetischen Schichten. Ich mag, dass man die Arbeiten nicht auf Anhieb versteht. Mir geht es nicht darum, dass man mit dem Intellekt daran geht, sondern einen gewissen Spielraum hat, um mit eigenen Bildern an die Werke herantreten und mit persönlichen Erfahrungen arbeiten zu können. So entstehen für jeden Betrachter andere, neue Bilder und Erzählungen.
Le Flash: In den vergangenen Jahren hast Du dich intensiv mit dem Material Wachs auseinandergesetzt. Dieser kommt in den Serien Moulage (2015), Enzyklopädie (2016) und auch in der jüngsten Werkreihe layers (2016) zu unterschiedlichem Einsatz. Was macht für dich die Faszination dieses Werkstoffes aus?

Kathrin Graf: Das Flexible, Variable. Wachs hat einen unglaublichen Variationsreichtum: Auf der einen Seite hat es etwas Schützendes, auf der anderen Seite ist es sehr empfindlich. Es besitzt einfach ganz viele Charaktereigenschaften, mit denen man sehr vielfältig arbeiten kann, egal ob plastisch, flächig oder eben mit Schichten, wie bei den Papierarbeiten.

Le Flash: Auch außerhalb deines Ateliers wirkst Du aktiv in der Bonner Kunstszene mit. Vor kurzem hat der tiefkeller mit einer neuen Installation eröffnet. Kannst Du etwas genauer beschreiben, um was es sich bei dem Gemeinschaftsprojekt mit Deiner Künstlerkollegin Bettina Marx handelt?

Kathrin Graf: Gerne! Tatsächlich ist die Idee zum tiefkeller im Atelierhaus entstanden, wo Bettina und ich uns kennengelernt haben. Sie hat den Raum entdeckt und wir wollten unbedingt etwas damit machen, weil er von der Location her so besonders ist. Das Konzept hat sich in diesem Prozess erst richtig entwickelt. Wir sehen den tiefkeller nicht als “Offspace”-Projekt, sondern als künstlerische Arbeit von uns beiden. Insbesondere wird das durch den prozesshaften Ablauf deutlich. Wir laden z. B. parallel Sammlungen und Künstler ein, um das Ganze anschließend zu einer Installation zusammen zu weben. Auch diese Idee war so nicht von vornherein da, sondern ist erst langsam entstanden. Es war ein schöner Zufall, dass wir bei der ersten Arbeit im tiefkeller mit Michael Geffert vom astronomischen Institut der Uni Bonn zusammenarbeiten konnten. Dieser war sehr aufgeschlossen dafür, historische Himmelsaufnahmen zu zeigen. Danach haben wir geguckt, welche künstlerischen Positionen dazu passen könnten und anschließend die unterschiedlichen Exponate im Raum in Bezug zueinander gesetzt. Diese Idee hat sich mittlerweile immer weiter verdichtet. Die aktuelle Ausstellung unterscheidet sich insofern von der ersten, dass von unserer Seite noch einmal mehr Setzung vorhanden ist.

Le Flash: Mit welchen Künstler*innen und Themen habt ihr Euch diesmal auseinandergesetzt? Gab es besondere Herausforderungen?

Kathrin Graf: Wir arbeiten diesmal mit der Sammlung St. Patrick’s Zine Library des Kölner Künstlers Patrick Rieve zusammen. Zines kann man als Underground-Format eines klassischen Comics verstehen. Sie werden von den Gestaltern auf eigene Kosten produziert, verlegt und herausgegeben. Nachdem wir uns aus der Sammlung einige Hefte ausgesucht haben, haben wir zusätzlich die Düsseldorfer Malerin Rosilene Luduvico und den Kölner Objektkünstler Jörg Obergfell eingeladen. Bei Tammy & The Broken Nails handelt es sich um eine fiktive Band. Dank der Unterstützung durch die Stiftung Kunstfonds hatten wir diesmal auch etwas mehr Spielraum und konnten das Ganze aufwändiger aufziehen. Herausforderungen gab es auch diesmal einige, z. B. haben wir Teile der Zines vergrößert und als Display auf die Backsteinwände tapeziert. Außerdem haben wir spezielle Kupferobjekte bauen lassen, auf denen die Hefte liegen. Wie wir das auch vorher schon gemacht haben, nehmen wir diesmal deutlich mehr Bezug auf den Raum, die Gegebenheiten und spielen damit. Außerdem haben Bettina und ich gemeinsam ein eigenes Zine gestaltet. Das war spannend, weil wir da noch einmal mit neuen Techniken und Materialien gearbeitet haben.

Le Flash: Wie empfindest Du als Bonner Künstlerin die Kunstszene im Rheinland?

Kathrin Graf: Ich würde mir schon wünschen, dass die Szene größer wäre. In Bonn selber ist es relativ übersichtlich, was natürlich auch schön ist, weil man die Leute schnell kennenlernt. Manchmal habe ich den Eindruck, dass es mir im Rheinland - oder in Deutschland generell - oft zu eng ist, was den Blick auf Kunst angeht.

Le Flash: Und wenn wir den Blick etwas ausweiten: Wie ist Deine Sichtweise auf die aktuelle Kunstszene in Deutschland?

Kathrin Graf: Auch bezogen auf den Kunstmarkt merke ich, dass es wenig Offenheit gibt. Im September werde ich nach Amsterdam gehen und da nochmal zwei Jahre am Sandberg Instituut studieren. Natürlich muss man im Hinterkopf behalten, dass man Amsterdam und Bonn schwer vergleichen kann. Aber ich denke, dass die Niederlande in ihrer Haltung im Vergleich zu Deutschland wesentlich aufgeschlossener sind für eher unkonventionelle Ideen.

Le Flash: Amsterdam! Was erwartest Du von der Uni, von der Stadt? Wird es Dir schwerfallen, nach der Selbstständigkeit wieder an eine Lehrinstitution zu gehen?

Kathrin Graf: Das weiß ich noch nicht genau, wie das wird. Ich sehe es für mich als Chance, neue Blickwinkel zu bekommen und meine Arbeit nochmal auf ein anderes Level zu bringen. Ich glaube, es tut der Arbeit einfach gut, neuen Input auf verschiedenen Ebenen zu bekommen. Damit meine ich sowohl den künstlerischen Austausch als auch allgemein das Leben im Ausland. Außerdem bekommt man durch die Arbeit in einem anderen Land auch die Möglichkeit, den Blick auf Deutschland zu objektivieren.

Le Flash: Das hört sich nach aufregenden Veränderungen an. Bleibst Du uns denn auch im Rheinland erhalten?

Kathrin Graf: Natürlich! Denn auch wenn Bettina und ich dieses Jahr beide mit anderen Projekten beschäftigt sind, wird der tiefkeller im kommenden Jahr weiter bestehen.

Le Flash: Das freut uns sehr! Vielen Dank für das Gespräch und einen guten Start in Amsterdam!

Noch bis zum 6. August 2017 habt ihr die Möglichkeit, die aktuelle Installation - 3 von Bettina Marx und Kathrin Graf im tiefkeller zu besuchen. Öffnungszeiten während der Installationsdauer: Sonntags von 14-18 Uhr oder nach Vereinbarung.

http://www.kathringraf.de/
http://www.tiefkeller.com/