Le Flash: Auch das Sammeln kann als Akt des Konstruierens der eigenen Identität verstanden werden. Referiert der Ausstellungstitel d
oing identity auf diesen aktiven und prozesshaften Charakter von Identität?
Hahnen: Ja, denn Sammeln, sei es das Sammeln von Kunst oder Kleidung, trägt als Form der Aneignung zur Identitätsbildung bei. Diese Suche nach dem Selbst und das Herausbildungen von Identitäten wird in vielen Werken der Sammlung Reydan Weiss reflektiert, sowohl in zahlreichen Porträts und figürlichen Darstellungen als auch inden abstrakten Werken, die sich mit der Frage nach kultureller Identität, der Identität der Dinge und dem veränderlichen, prozessualen Aspekt der Ich-Bildung beschäftigen.
Neuendorf: Der Titel
doing identity greift daher auf die Begriffe „doing gender“ und „performing gender“ zurück. Innerhalb der Gendertheorie untersuchen diese beiden Begriffe die binäre Vorstellung von Geschlechtern als gesellschaftliche Konstruktionen, die durch bestimmte Verhaltensweisen und Handlungsstrukturen im Alltag stets neu bestätigt werden. Dies ist auch insofern wichtig, als dass wir Identität nie mit uns allein ausmachen, sondern sie auch immer in einer reflektierten Auseinandersetzung mit der Außenwelt gebildet wird.
Le Flash: Wie erfolgt diese Auseinandersetzung mit der Entstehung und Prägung von Identitäten innerhalb der Ausstellung?
Neuendorf: Identität setzt eine wechselseitige Beziehung mit der Umwelt voraus und die in der Ausstellung präsentierten Arbeiten sind ein individueller Ausdruck dieser Auseinandersetzung mit der Welt. Daher werden verschiedene Aspekte dieser Beziehung zwischen Außenwelt und Identität beleuchtet. Thematische Zusammenfügungen sind etwa die Bereiche Porträt und Geschlecht. Weitere Ebenen untersuchen die Bedeutung von Dingen und Objekten, das Alltagsverhalten und die Rolle der Umwelt, wobei es auch um die Frage geht, was ich mit meiner Umwelt mache und meine Umwelt mit mir.
Hahnen: Identität ist daher nie etwas Abgeschlossenes, sondern immer ein aktiver Prozess und ein Dialog mit Kunst, Kultur, Politik und Gesellschaft. Um diese Aspekte von Identität auch außerhalb des musealen Raumes zu diskutieren, gibt es ein breites Rahmenprogramm zur Ausstellung, etwa ein Magazin, Social-Media-Angebote und eine Spotify-Playlist, die mit Songs von David Bowie, Madonna oder Conchita Wurst die Frage nach dem Entwickeln von Identität musikalisch weiterführt. Insgesamt ist die Ausstellung daher mehr als eine reine Sammlungspräsentation, sondern auch eine Einladung, sich im Museum und darüber hinaus mit der Veränderlichkeit und der Vielfältigkeit von Identitäten zu beschäftigen.