T.W.: Wie suchst Du die Pflanzen aus, aus denen Du dann Farbe herstellst?
N.L.: Natürlich spielt die Jahreszeit eine Rolle. Ich gehe viel spazieren, gehe gerne in Gärtnereien und Botanische Gärten. Die Farbigkeit und Textur von Blüten und Blättern teste ich manchmal schon vor Ort. Das Gesammelte wird im Atelier dann je nachdem gerieben, gestampft, gekocht und gedörrt. In diesen beiden Werken siehst du einen Blütenabrieb von Mädchenauge und Rittersporn auf säurefreiem Bütten (zugegen / von dannen VI, 2018 Rittersporn, Blau auf Büttenpapier, Blütenabrieb). Sie sind für eine Ausstellung im Ulmer Kunstverein vor etwa einem Jahr entstanden. Ich bin selbst überrascht, dass ich die Veränderung der Farbigkeit kaum wahrnehme, obwohl sie sich sicher verändert haben. Eine Frage der Wahrnehmung – ohne Referenz-Farbe ist das schwierig.
T.W.: Welche Rolle spielt der Raum, in dem Du Deine Arbeiten ausstellst?
N.L.: Eine wichtige. Ich versuche mich auf den Raum einzulassen. Welche Geschichte hat er? Wann fällt wo Licht ein? Oft entwickele ich eine Arbeit speziell für einen Ort. Meine Wandmalereien bleiben ja, im Gegensatz zu anderen Arbeiten, an diesem Ort und werden mit ihm eins. Wenn ich Saft auf Papier oder Wand auftrage, gibt es immer eine Reaktion. Dann bearbeiten Zeit, Licht und Sauerstoff meine Arbeit im Raum. Sie wird weniger sichtbar und wahrnehmbar, aber verbleibt doch vor Ort. Sie schreibt sich ein, auch wenn sie z.B. nach der Ausstellung überstrichen wird.
T.W.: Du hast an der Hochschule für Bildende Künste Saar „Konzeptuelle Malerei“ studiert. Was ist Deiner Meinung nach das Konzeptuelle an Deiner Kunst?
N.L.: Liegt nicht jeder künstlerischen Arbeit ein Konzept zugrunde? Tatsächlich war das während meines Studiums öfter Thema in Klassenbesprechungen. Ich habe Konzeptuelle Malerei bei Katharina Hinsberg und Bildhauerei / Public Art bei Georg Winter studiert. Irgendwo dazwischen würde ich meine künstlerische Arbeit verorten. Vielleicht haben meine Arbeiten gemein, dass sie häufig ergebnisoffen sind. Der Weg und das Forschen spielen eine große Rolle; nicht genau zu wissen, was am Ende dabei herauskommt treibt mich an. Das ständige Überrascht-Werden. Ich habe spielerische Freude am Ausprobieren und Erproben. Den Arbeitsprozess zu beobachten kann manchmal ähnlich interessant sein, wie das Ergebnis dieses Arbeitsprozesses. Wann beginnt eine künstlerische Arbeit? Beim ersten Gedanken daran, oder bei der Auswahl und Bearbeitung der Materialien? Hier habe ich mehr Fragen als Antworten und ich glaube, dass es diese Fragen sind, die einen manchmal weiterbringen.
T.W.: Du verwendest für Deine Arbeiten natürliche Farben und Bildträger. Wie wichtig ist Dir dabei der Aspekt der Nachhaltigkeit?
N.L.: Kunst muss frei sein! Ich entscheide mich für Werkstoffe oder arbeite einfach mit Materialien, mit denen ich mich gern umgebe. Ich mag den Geruch von Leinengewebe und Ölfarbe, die Oberfläche von geschöpften Papieren und dass ich die verwendeten Farben auch manchmal verköstigen kann.
T.W.: Du arbeitest mit vielen unterschiedlichen Materialien. Wie gehst Du bei der Auswahl dieser Materialien vor?
N.L.: Meistens ist das sehr intuitiv. Ich habe einen großen Materialfundus, aus dem ich schöpfen kann und folge meinen Interessen.
T.W.: Wie sieht bei Dir der Arbeitsprozess aus?
N.L.: Ganz unterschiedlich. Alles beginnt im Chaos. Ich habe eigentlich immer ein Büchlein dabei, in das ich schreibe, zeichne und in dem ich Ideen festhalte. Dann entstehen manchmal in wenigen Tagen hunderte von Fotos zur Recherche. Je nach Arbeit mache ich Tests und Versuche, Materialproben etc. Wenn ich z.B. entsafte, habe ich oft den Trester übrig. Ein Nebenprodukt, das ich anfing zu trocknen und zu sammeln. Weil ich bei einer früheren Arbeit mit Baumwolle und Zellulose arbeitete, kam mir die Idee aus dem Trester Papier zu schöpfen. Also habe ich den Trester in Wasser quellen lassen und geschöpft. Die ersten Gemüsepapiere zerfielen oder der Trocknungsprozess dauerte zu lange. Durch viele Versuche fand ich dann ein Wurzelgemüse, das taugte: Die Karotte!
Während des Trocknungsprozesses verziehen und wölben sich die kleinen Papiere. Erst mal war das nur eine Beobachtung. Mir gefällt, dass ich nie vorhersagen kann, wie sich die Form entwickelt. Der Saft wurde dann das Nebenprodukt und auf den Karottentrester trage ich nun Tinte auf. (Ohne Titel, 2019 Tinte auf Karottentrester 13 x 7 x 5 cm).