Antikoloniale Eingriffe: Eine Bewusstmachung der Sammlung Ludwig

Installationsansicht HIER UND JETZT im Museum Ludwig. Antikoloniale Eingriffe, Museum Ludwig, Köln 2022 Foto: Rheinisches Bildarchiv Köln/Benita Ruster

Das Museum Ludwig in Köln beschäftigt sich in der achten Ausstellungsreihe Hier und Jetzt mit antikolonialen Eingriffen, die die Sammlung betreffen. Hierbei wurden von der Kuratorin Joanne Rodriguez die lateinamerikanischen Künstler:innen Pável Aguilar, Daniela Ortiz, Paloma Ayala und Paula Baeza Pailamilla eingeladen, die sich selbstständig mit der Sammlung beschäftigten und ihren Beitrag auf verschiedene Weise umsetzten.
Die Ausstellung geht auf bestehende Werke ein und zeigt zugleich neue Arbeiten der Künstler:innen, die sich auf die Institution, dem Ehepaar Irene und Peter Ludwig und die eurozentrisch gelesene Kunstgeschichte bezieht. Der Blick wird hierbei auf die kolonialen Hintergründe gelenkt, die mit der Entstehung der Sammlung einhergehen. Die Ausstellung wird von verschiedenen Möglichkeiten zur Teilnahme begleitet.
Bereits im ersten Ausstellungsraum lädt Paloma Ayala dazu ein, Tonarbeiten, die Werke und Details aus der Sammlung Ludwig darstellen, mit den eigenen Händen zu bearbeiten, zu verformen und die Sammlung sowie den Kanon der Kunst zu hinterfragen.
Neben der Sammlung selbst werden die Gründer:innen dieser in den Fokus gesetzt. Die Künstlerin Paula Baeza Pailamilla beschäftigt sich in ihrem für die Ausstellung geschaffenen Werk mit dem Familienunternehmen vonseiten (Irene) Monheims, das sich mit der Herstellung von Schokolade befasste. In dem drei-Kanal Video agiert sie in einer tänzerischen Performance vor verschiedenen potenziellen Werbeorten. Im Hintergrund werden Orte der Schokoladenproduktion gezeigt, die in der Werbung glorifiziert werden, während die Gewinnung der Erzeugnisse bis heute eng mit dem Kolonialismus und Ausbeutung in jeglicher Form verbunden ist.
Paula Baeza Pailamilla weist besonders auf die Exotisierung hin, mit denen die Personen aus den Herstellungsländern zu kämpfen haben.
Daniela Ortiz nimmt hingegen ein direktes Werk der Sammlung auf, welches sie reproduziert und kritisiert. Die Jungfrau züchtigt das Jesuskind vor drei Zeugen: André Breton, Paul Éluard und dem Maler von Max Ernst wird einem zeitgenössischen Geschehnis in Spanien gegenübergestellt. Der neunjährige Geflüchtete Jesús Ánder wurde seiner Familie von den Behörden entrissen, bevor er aus unergründlichen Umständen starb. Der Tod des Jungen wurde dabei als Suizid deklariert. Es werden innerhalb der Ausstellung mittels einer Dokumentation auf diesen Fall sowie zwei ähnliche Fälle hingewiesen.
Daniela Ortiz möchte die Aufmerksamkeit auf die Behörden lenken und kritisiert den weißen Feminismus der Jugendamtsmitarbeiter:innen. Diese handeln mit der Entziehung der Kinder von ihren Familien voreingenommen und spiegeln ein patriarchales System wider, wovon sie sich distanzieren möchten, während sie es zur selben Zeit reproduzieren. Die Kuratorin äußert sich zu der Arbeit von Ortiz, dass sich Aktivismus und Feminismus auf alle Beteiligten beziehen müsse, unabhängig der Herkunft und des eurozentrischen Blickes. Die Auseinandersetzung mit dem Werk von Max Ernst setzt sich in der Sammlung selbst mit einer Bilderreihe fort.
Innerhalb sowie außerhalb der Ausstellungsräume finden sich die Werke von Pável Aguilar, die auf den Eingangsbereich und das Treppenhaus des Museums verteilt wurden. Ein Video im Foyer, das einen kämpfenden Hahn zeigt, lässt die Betrachter:innen daran erinnern, dass der Kampf gegen das Gegenüber und die vermeintliche Bewahrung von Territorien, ein Kampf gegen die eigene Natur darstellt. Die Arbeit thematisiert und reflektiert den daraus entstandenen Kolonialismus.
Zudem finden die Besuchenden von Pável Aguilar geschaffene Musikinstrumente auf Sockel, sogenannte Güiras, von denen alle mit Namen versehen sind, die für das Haus Ludwig und die Sammlung stehen. Darunter sind sowohl die beiden Begründer:innen zu finden als auch Andy Warhol und Mäzen:innen der Sammlung. Das Spielen dieses Instruments, was Musikstile aus Lateinamerika und der Karibik widerspiegelt, ist den Besuchenden zu bestimmten Zeiten möglich und relativiert die zugeschriebene Bedeutungshoheit der einzelnen Personen.

Durch eine aktive Teilnahme des Publikums und ein ausgefülltes Rahmenprogramm, wird eine Bewusstmachung angestrebt, die die Werke und die Entstehung der Sammlung hinterfragen. Das Publikum wird sensibilisiert und lernt, den eurozentrischen Blick abzuwenden und andere Sichtweisen und Hintergründe vor den Werken zu erproben. Durch die großzügige Verteilung der Arbeiten im ganzen Haus, wird das Bewusstsein für den Kolonialismus auch unabhängig von den Räumen der Ausstellung betont und lässt die Interessent:innen neugierig werden, die Sammlung mit erweitertem Blick zu erfahren. Ein Glossar als Begleitmaterial zur Ausstellung hilft der Zugänglichkeit und Bewusstmachung der Thematik.
Die Ausstellung Hier und Jetzt: Antikoloniale Eingriffe ist vom 8. Oktober 2022 – 5. Februar 2023 im Museum Ludwig zu sehen.

Öffnungszeiten

  • 10 - 18 Uhr
  • 10 - 22 Uhr



Das Rahmenprogramm wird begleitet von Workshops, Aktionen sowie Gesprächen und ist hier einzusehen: HIER UND JETZT im Museum Ludwig. Antikoloniale Eingriffe - Museum Ludwig, Köln (museum-ludwig.de)