Oliver Schäfer – Ein Blick auf starke Frauen

In den Werken des Künstlers Oliver Schäfer aus Essen kommen Aspekte der Historie, der Politik und der Unterhaltungsbranche mit einer auffälligen Gestaltung zusammen, denn er malt Portraits unterschiedlichster Frauen.
Den roten Faden, der sich durch sein Schaffen zieht und nach dem sich ein Künstler orientiert, hat er sich von Zeit zu Zeit erarbeitet. Schon früh beginnt der gebürtige Warsteiner mit dem Malen, probiert sich an Dingen aus der Natur und dem, was er vor sich sieht. Schließlich entwickelt er das Interesse an der Portraitmalerei. Zur Übung versucht er sich an Menschen mit hoher Medienpräsenz, Ikonen wie Marilyn Monroe oder zeitgenössische SchauspielerInnen. Er merkt jedoch schnell, dass es nicht das ist, was ihn am Portraitmalen reizt. So sucht er weiter nach Personen, die von sich aus etwas Interessantes mitbringen und bei denen man neugierig wird, hinter die Fassade zu blicken.

Die Menschen, mit denen er sich im Laufe der Zeit zu beschäftigen anfängt, zeichnen sich durch starke Eigenschaften wie Mut und Ehrgeiz aus. Er beginnt Aktivistinnen zu portraitieren, Frauen, die politisch involviert sind und der Masse eine Stimme geben.
Wieso die Auseinandersetzung mit Aktivistinnen?
Für Schäfers künstlerische Entwicklung war das Jahr 2016 sehr ausschlaggebend, denn hier wurde die Gesellschaft medial mit verschiedenen Machthabern und unterschiedlichen Themen konfrontiert. Donald Trump gewann die Präsidentschaft, bei dem viele in Unglauben an die politische Entwicklung der USA fielen. In Europa war die Flüchtlingskrise im vollen Gange und es gab einen Überdruss an Kritik und grenzwertigen Äußerungen.
Auch andere Staatsoberhäupter wurden mit größter medialer Aufmerksamkeit thematisiert, selbst wenn diese nur wenig für das allgemeine Wohlergehen des Volkes taten. Schäfer fragte sich „Wieso thematisieren die Medien nicht die starken Frauen, die eine weitere Stimme bräuchten, um ihre Visionen und Ziele zu verbreiten.“
Mit diesem Gedanken entstand für Schäfer der rote Faden seiner Kunst. Er wollte kein weiterer Künstler sein, der Portraits von berühmten Männern malt, welche schon oft abgebildet wurden. Er entschloss sich stattdessen, sich mit den starken Frauen hinter diesen Männern zu beschäftigen. Diejenigen, die medial wenig Anerkennung finden und es dennoch schaffen die Welt in Bewegung zu setzen.
Zu Beginn seiner neuen künstlerischen Vision portraitiert Schäfer Aktivistinnen wie Malala oder Marzieh Ebrahimi. Malala engagiert sich bekanntlich für Bildungsmöglichkeiten junger Mädchen und Frauen, während die Iranerin Marzieh Ebrahimi sich nach einer Säureattacke für Gesetze gegen ebendiese einsetzt. Durch die Gesetze würden viele profitieren, die durch eine Heiratsverweigerung oder einer „falschen“ Verschleierung angegriffen werden. In der heutigen Gesellschaft sind zudem Aktivistinnen wie Greta Thunberg, die bereits eine hohe Medienpräsenz genießt, wegweisend. Schäfer äußert sich mit Bewunderung über Thunberg, „Mit ihren 18 Jahren hat sie schon so viel bewegt“. Zeitgenössische Persönlichkeiten sind für ihn genauso interessant wie die Vergangenen, was die Portraits von der kürzlich verstorbenen Ruth Bader Ginsburg und der Modeikone Iris Apfel widerspiegeln.

Aus dem Forschungsbereich wurde Jane Goodall portraitiert, welche sich mit dem Verhalten von Schimpansen auseinandersetzte, um später für den Schutz dieser zu werben. Auch die Atomgegnerin Helen Caldicott findet Platz auf seiner Leinwand, welche Schriften veröffentlicht, in denen sie sich gegen die Herstellung von Kernwaffen ausspricht. Durch das Portrait von Breonna Taylor griff er zudem die Black Lives Matter Bewegung auf und thematisierte ihren Tod durch Polizeigewalt, der in den Medien vor der Bewegung wenig Aufmerksamkeit fand. „Ich möchte Frauen aus verschiedenen Bereichen, aus verschiedenen Ländern und mit jeder Hautfarbe malen“ verdeutlicht Schäfer. Er beabsichtigt, unterschiedliche Themen aufzugreifen und diese auf einem besonderen Weg zu verbreiten - auf dem künstlerischen Weg.

Neben den Aktivistinnen beschäftigt sich Schäfer zwischenzeitlich auch mit bereits berühmten Persönlichkeiten, die medial jedoch sehr einseitig dargestellt werden. So möchte er neben der bereits bekannten Seite einer Sängerin und Schauspielerin wie Stefani Germanotta, besser bekannt als Lady Gaga, die unbekanntere Seite zum Thema machen. Betrachtet man ihr Portrait im Zusammenhang mit Schäfers Intention, medial unauffälligen Persönlichkeiten eine Bildfläche zu bieten, kommt die Frage auf, welche Beweggründe ausschlaggebend für ihr Portrait waren. Ein näherer Blick zeigt, dass auch sie sich aktivistisch beteiligt, indem sie gesellschaftskritische Themen anspricht und ihre mediale Reichweite für die Verbreitung nutzt.
Die Kunst im Detail
Schäfers Arbeiten weisen zudem im Schaffensprozess eine Besonderheit auf. Er geht auf jede einzelne Person individuell ein. Die Maße der Leinwand ist dabei nie kleiner als 1 x 1 m, damit ihm mehr Spielraum für die Gestaltung und die Details bleibt. Die von ihm verwendeten, meist bunten Farben, orientieren sich weitestgehend an der Persönlichkeit der Portraitierenden. So wird eine Frau wie Marlene Dietrich mit blauen Farben dargestellt. Diese stehen in Verbindung mit ihrem Wesen und ihrer Karriere, die mit dem Film „Der blaue Engel“ begann. Die Vielfalt und der Charakter sollen zum einen durch die Farbe vermittelt werden und zum anderen durch Zitate der jeweiligen Person, die er auf die Leinwand schreibt, bevor er diese übermalt.
Ebendiese Methodik zeigt sich bereits bei seinem ersten Portrait, wobei er das Zitat hier auf einen Satz reduzierte. Inzwischen füllt er die ganze Leinwand mit Zitaten in der jeweiligen Muttersprache der Frau aus. Ist das Portrait fertig, kann das Zitat an den helleren Stellen noch erahnt, jedoch nicht mehr vollständig gelesen werden. „Ich möchte nichts vorkauen, die Menschen sollen selber aktiv werden und sich informieren. Ich möchte nur darauf aufmerksam machen.“
Die aktive Auseinandersetzung mit der Kunst ist Schäfer sehr wichtig. Dies solle sowohl beim Betrachten, als auch beim anschließenden Reflektieren erfolgen. Schäfer bemängelt die zurückhaltende Art der Menschen und den fehlenden politischen Umgang, vor allem beim Wählen. Es solle und müsse allgemein mehr Beteiligung stattfinden.
Eins der aktuelleren Portraits ist das der Modeikone Iris Apfel. „Für mich ist sie eine sehr interessante und inspirierende Person, die gegen den Strom schwimmt und sich so am wohlsten fühlt.“ Iris Apfel, bekannt für ihren Stil, der sich durch die Kombination verschiedener Elemente und Kleidungsstücke in ihrer Selbstpräsenz ausdrückt, stellt ihre Einzigartigkeit dar. Die große Brille fungiert dabei als Markenzeichen. Das Portrait ist daher sehr bunt gestaltet und von den Flächen und der Farbe an den französischen Maler Henri Matisse angelehnt. „Sie sagte in einem Interview, dass sie eine Bewunderin von Matisse sei, was somit einen Teil ihres Kunstgeschmacks zeigt. Daher habe ich mich für diese Art der Gestaltung entschieden.“

Das öffentliche Auftreten des Künstlers
Schäfer nahm bereits an verschiedene Ausstellungen teil und ist besonders aktiv im Bereich Social Media, welche eine gute Plattform zur Verbreitung von Kunst darstellt. Zu finden ist er unter anderem auf Facebook (Oliver Schaefer) und Instagram (@olisinst). Hier informiert er über Ideen und neue Arbeiten. Es finden sich zudem Videos zu dem Schaffensprozess, die er selbst erstellt und zusammenschneidet. Online Plattformen allein reichen für Schäfer jedoch nicht aus und mit der derzeitigen Pandemie fehlt ihm die Interaktion. Er äußerte dazu „Es fehlen die Ausstellungen in der aktuellen Zeit. Ein Raum, in dem die Menschen zusammenkommen, diskutieren und sich inspirieren lassen können.“ Wie die gesamte Kulturszene, die im Moment bangt, lassen die aktuellen Geschehnisse auch Oliver Schäfer nicht unbeeindruckt. „Es ist sehr schwer, besonders für junge Künstler, wenn keine Ausstellungsplanung mehr erfolgen kann, Ausstellungen abgesagt oder auf unbestimmte Zeit verschoben werden. Das aktive Publikum bleibt dabei einfach aus.“ Auch wenn es schon viele digitale Angebote gibt, die einem als Betrachter zur Verfügung gestellt werden, ist doch die andere Seite der Künstler und Kulturschaffenden weiter in einer gar tauben Lage, die nicht mehr aktiv erfahren kann, wie ihre Kunst aufgenommen wird. Durch diese Umstände entwickelte er den Wunsch, Ausstellungen im öffentlichen Raum zu konzipieren. Hierfür ließ er Drucke auf wasserbeständigem Material anfertigen. „Bei Ausstellungen im öffentlichen Raum kann ich meine Kunst live zeigen, gefährde aber niemanden“. Sein Wunsch, eine Ausstellung zum Weltfrauentag im März zu konzipieren, konnte bereits erfüllt werden. Momentan ist Schäfers Kunst unter dem Titel „Fearless Women“ im Grugapark Essen zu sehen. Die Ausstellung wird noch bis in den Mai andauern.

Ein Blick in die Zukunft
Derzeit hat Oliver Schäfer 18 Portraits angefertigt. Auf die Frage, wie viele Frauen er noch malen möchte, antwortet er, dass er überwältigt sei von der Liste und es sich als eine Lebensaufgabe vornehme. Es gebe noch viele Persönlichkeiten aus der Geschichte, der Wissenschaft, der Politik, der Unterhaltungsbranche und dem Sport, die besondere Aufmerksamkeit verdienten. Mindestens 100 sollen es laut Schäfer werden, das sei die erste Etappe. Sein Wunsch für die Kulturszene ist dabei „Akzeptanz. Akzeptanz, Respekt und Zusammenhalt sind wichtig. Die Gesellschaft muss verstehen, wie wichtig Kunst und Kultur ist und sie muss mehr gefördert werden - besonders in Zeiten der Pandemie.“

„Fearless Women“ ist vom 08.03. bis zum 09.05. im Grugapark in Essen zu sehen.