Im Gespräch mit der Künstlerin Tina van der Weyer

Das Atelierhaus Bonn öffnete am 18. und 19. Mai 2019 wieder seine Tore für kunstinteressierte Bonner*innen. Dies nahm sich Le-Flash zum Anlass einige Künstler*innen in ihren Ateliers vorab zu besuchen und sie zu ihren aktuellen Projekten und Arbeiten zu interviewen.

Laura Krüger traf sich für Le-Flash mit Tina van der Weyer (*1985), Künstlerin und Stipendiatin des Bonner Kunstvereins. In ihrem Atelier in der Dorotheenstraße sprach sie über aktuelle Projekte, in denen sie nicht nur die medialen Grenzen herausfordert, sondern sich ebenso thematisch mit ökologischen Verhältnissen auseinandersetzt.
Laura Krüger: Du hast mir erzählt, dass Du bereits seit 2 ½ Jahren hier im Atelierhaus des Bonner Kunstvereins arbeitest und nun bereits zum dritten Mal Besucher in dein Atelier im Rahmen der Offenen Ateliers einlädst. Woran arbeitest du momentan? Kannst Du uns einen kleinen Einblick in Deine aktuelle Arbeit gewähren?

Tina van der Weyer: Gerade arbeite ich noch an der Fertigstellung einer Fotoserie, welche den Titel Cuts trägt. Die Serie zeigt Motive und Aufnahmen, die im Prozess entstanden sind und zwar zu Beginn des Jahres in Ägypten.

L.K.: Ägypten? Das klingt spannend. Was hat dich dort hingezogen?

T.vdW.: Das war tatsächlich das erste Mal, dass ich ohne konkreten Projektplan eine Reise angetreten habe. Ich wusste nicht genau, was mich erwartet oder wie ich dort meine Arbeit beginnen würde. Meine Reise war Teil eines Workshops, der unter der Leitung der Künstlerin Liz Doles im Fayoum Art Center stattfand. Unter dem Thema „Ursprung der Fotografie“ haben wir uns intensiv mit der Pinhole Camera (Lochbildkamera) beschäftigt und uns mit technischen Aspekten wie Belichtung oder Fotoentwicklung auseinandergesetzt. Es hat großen Spaß gemacht, wieder zur fotografischen Basis zurück zu kehren, auf welcher wir unsere eigenen Projekte aufbauen konnten. So habe ich neben der vorhin angesprochenen Fotoserie auch eigene Fotogramme erzeugt.

L.K.: Auf Deinen Fotografien erkenne ich, dass Du Dich einerseits mit der Landschaft bzw. Umwelt des Landes, den Menschen und dem alltäglichen Leben vor Ort auseinandergesetzt hast, aber andererseits liegt auch ein großer Fokus auf dem Thema Tier, welches sich in jedem Deiner Fotos wiederfinden lässt.

T.vdW.: Ägypten ist sehr stark geprägt von den extremen Naturverhältnissen. Fast 90 % der Menschen und Tiere leben in der Nähe des Nils oder an der Küste, in einem Land, dessen größte Fläche aus der kargen Wüste besteht. In der Tat spielen Tiere für mich bei diesem Projekt eine wichtige Rolle und ich übe Kritik an den menschlichen Eingriffen in die ihn umgebende Natur. Ich reflektiere nicht nur Prozesse zwischen Mensch und Umwelt, sondern auch die Inszenierung der Umwelt selbst. Mit dieser Thematik beschäftige ich mich bereits längere Zeit. Auf der Reise beobachtete ich die Wechselwirkung zwischen Mensch und Tier. Durch die Nähe zum Menschen sichern sich die Tiere ihre Existenz. Ich habe viele verwilderte Haustiere gesehen, die in den riesigen Massen von Müll nach Essbarem gesucht haben. Als wir final im Workshop unsere Arbeiten diskutiert haben, fiel mir auf, dass ich selten den zivilisierten Abfall fotografiert hatte, obwohl er allgegenwärtig war. Es dominierte der Blick oder die Suche nach dem Ästhetisch-Schönen.

L.K.: In deine Fotografien hast du nachträglich Cutouts eingefügt…

T.vdW.: Tatsächlich habe ich jetzt gerade noch diese Fotografie mit dem Fohlen mit einem Skalpell bearbeitet (Cuts, 2019). Diese Arbeit – ähnlich dem Chirurg, der den ersten Schnitt durch die Haut setzt – hat mich fasziniert und gefordert.

L.K.: Kommendes Wochenende wirst du uns deine Fotoserie Cuts präsentieren. Gibt es darüber hinaus noch weitere Arbeiten, die du ausstellen möchtest?

T.vdW.: Ich möchte ergänzend zwei Landschaftsaufnahmen mit dem Titel liqa' (2019) zeigen, die ich ebenfalls in Ägypten gemacht habe. Diese Serie entstand, als ich eines Morgens mit dem Boot auf einen großen Salz-See hinausgefahren bin. Die Wetterlage an diesem Tag schien Richtung Wüstensturm zu kippen; dadurch wurde die Landschaft in ein gelblich gedämpftes Licht getaucht. Die Stimmung war faszinierend. Ich konnte nicht mehr erkennen, wo der Horizont anfängt oder das Wasser aufhört. Hinzu kam dieser unglaubliche Kontrast; das Lebensfeindliche der Wüste diamental zur Lebendigkeit des Wassers.

L.K.: Die Fotoaufnahmen unterscheiden sich deutlich in ihrer Größe von anderen Arbeiten, die Du in Deinem Atelier zeigst. Hast Du Dir schon eine Überlegung zur Hängung der Arbeiten gemacht?

T.vdW.: Ich würde die Fotos gerne gebogen aufhängen, sodass die Bilder in den Raum hinein wachsen. Diese Form erinnert an eine Linse, die ursprünglich Objekte schärft oder näher heranholt. In dieser Serie sucht das Auge hingegen vergebens nach einem Punkt, an dem es sich festhalten kann. Das Mittel der Hängung wähle ich bewusst aus und habe bereits in der Vergangenheit diese Technik angewandt. In der Fotoserie Dis-Connect (2018) befanden sich, in von mir konstruierten Rahmen, kleine aufklappbare Infotafeln.
Meine Intention ist es immer wieder aufs Neue, die Betrachter*innen zu interessierten und kritischen Auseinandersetzungen zu motivieren. Sie dürfen – besser noch, sie müssen ihre individuelle Position zu meinen Werken einnehmen. Ich weigere mich, die Wirkung dieser im Vorhinein zu planen.

L.K.: Du hast geschrieben, dass du morgen nach Aarhus (Dänemark) fliegst. Was erwartet dich dort?

T.vdW.:In Aarhus werde ich an einem internationalen Künstlersymposium TRAVERS teilnehmen. Es werden Künstler*innen aus diversen Fachrichtungen vertreten sein. Dort möchte ich mich mit meiner Kollegin Anne Euler auf ein Kooperationsprojekt vorbereiten.

L.K.: Mit Anne Euler zusammen hast du auch schon die Arbeit Catch-Shoot-Release (2018/19) gemacht. Habt ihr in Zukunft Projekte im Kollektiv geplant?

T.vdW.: Auf jeden Fall! Wir müssen mal schauen, in welche Richtung unsere Überlegungen so gehen, aber ich freue mich jetzt schon auf eine intensive Zusammenarbeit. Mit Anna betrachte ich noch mal einen ganz anderen Aspekt meiner bzw. unserer Kunst. Wir sind dann immer sehr technisch und installativ aufgestellt.
Wie schon bei unserem letzten Projekt werden wir uns vermutlich wieder dem Aspekt des Lichts annehmen und eine begehbare Licht-Installation konzipieren. Aber das sind momentan noch ganz ungezwungene Überlegungen und gerade deshalb fahren wir auch jetzt zusammen nach Aarhus, um noch mal intensiv zu schauen und zusammen zu überlegen.