Von Sammelleidenschaft und Identitätssuche: doing identity. Die Sammlung Reydan Weiss

Vom 25. November 2017 bis zum 04. Februar 2018 zeigt das Kunstmuseum Bochum mit der Ausstellung doing identity 270 Arbeiten aus der Sammlung Reydan Weiss. Die Ausstellung entstand in Kooperation mit dem Kunsthistorischen Instituts der Universität Bonn. Le Flash traf Inke Maria Hahnen und Isabel Neuendorf aus dem Kuratorenteam des Projekts zum Gespräch über das Sammeln und die Identität von Menschen und Dingen.
Le Flash: Entsprechend der internationalen Biographie der Sammlerin Reydan Weiss, die sich von ihrem Geburtsort Istanbul über Jordanien, Jerusalem und Deutschland bis nach Neuseeland erstreckt, ist auch ihre Kunstsammlung gattungs- und grenzübergreifend aufgestellt. Arbeiten aus den Bereichen Skulptur über Malerei bis Fotografie und Video von Künstlern aus den USA und Europa sind ebenso in der Sammlung vertreten wie Werke aus Asien oder Australien. Wie kann das Sammlungskonzept der Sammlung Weiss beschrieben werden?

Neuendorf: Die Sammlung Reydan Weiss ist tatsächlich sehr breit aufgestellt. Seit Mitte der 1980er Jahre sammelt Weiss leidenschaftlich und nach ganz eigenem Gusto. Es ist daher weniger ein strategisches, als ein sehr intuitives Sammeln von Arbeiten, welche Neugier wecken, bewegen und inspirieren. Grundstein der Sammlung sind in den 1980ern erworbene Arbeiten aus den Bereichen Zero und Informell, etwa von Günther Uecker oder Heinz Mack.
Hahnen: Daraus ist in den letzten 30 Jahren eine vielfältige Mischung von Genren und Künstlern gewachsen, die trotz – oder gerade wegen – ihrer Unterschiedlichkeit harmonisch miteinander funktionieren. Die Sammlung umfasst heute beispielsweise Arbeiten von Cindy Sherman, Wim Wenders oder Gerhard Richter, aber auch von jüngeren Künstlern wie dem kubanischen Künstler Yoan Capote oder Mohau Modisakeng, der erst jüngst auf der Biennale in Venedig den südafrikanischen Pavillon bespielte.

Le Flash: Das Kunstmuseum Bochum begann bereits im letzten Jahr mit einer Reihe über das Sammeln. Unter welchem Fokus wird dieses komplexe Thema in der Ausstellung beleuchtet?

Neuendorf: Die vergangenen Ausstellungen haben sich auf vielfältige Weise mit dem Sammeln beschäftigt, so wurden etwa künstlerische Arbeiten gezeigt, die sich kritisch mit dem Sammeln befassen. Ziel ist es, sich innerhalb dieser Reihe multiperspektivisch mit dem Sammeln auseinanderzusetzen und alle Akteure in den Blick zu nehmen: Künstler, Privatsammler und Museen.
Hahnen: Mit der Ausstellung doing identity wird jetzt das weite Feld Privatsammlung unter die Lupe genommen. Die präsentierten Arbeiten aus der Sammlung Reydan Weiss sind dabei inhaltlich durch das Motiv der Identität verknüpft. Vielen Werken der Sammlung ist, obgleich sie aus verschiedenen Gattungen stammen, die Auseinandersetzung mit dem Ich gemein.
Le Flash: Auch das Sammeln kann als Akt des Konstruierens der eigenen Identität verstanden werden. Referiert der Ausstellungstitel doing identity auf diesen aktiven und prozesshaften Charakter von Identität?

Hahnen: Ja, denn Sammeln, sei es das Sammeln von Kunst oder Kleidung, trägt als Form der Aneignung zur Identitätsbildung bei. Diese Suche nach dem Selbst und das Herausbildungen von Identitäten wird in vielen Werken der Sammlung Reydan Weiss reflektiert, sowohl in zahlreichen Porträts und figürlichen Darstellungen als auch inden abstrakten Werken, die sich mit der Frage nach kultureller Identität, der Identität der Dinge und dem veränderlichen, prozessualen Aspekt der Ich-Bildung beschäftigen.
Neuendorf: Der Titel doing identity greift daher auf die Begriffe „doing gender“ und „performing gender“ zurück. Innerhalb der Gendertheorie untersuchen diese beiden Begriffe die binäre Vorstellung von Geschlechtern als gesellschaftliche Konstruktionen, die durch bestimmte Verhaltensweisen und Handlungsstrukturen im Alltag stets neu bestätigt werden. Dies ist auch insofern wichtig, als dass wir Identität nie mit uns allein ausmachen, sondern sie auch immer in einer reflektierten Auseinandersetzung mit der Außenwelt gebildet wird.

Le Flash: Wie erfolgt diese Auseinandersetzung mit der Entstehung und Prägung von Identitäten innerhalb der Ausstellung?

Neuendorf: Identität setzt eine wechselseitige Beziehung mit der Umwelt voraus und die in der Ausstellung präsentierten Arbeiten sind ein individueller Ausdruck dieser Auseinandersetzung mit der Welt. Daher werden verschiedene Aspekte dieser Beziehung zwischen Außenwelt und Identität beleuchtet. Thematische Zusammenfügungen sind etwa die Bereiche Porträt und Geschlecht. Weitere Ebenen untersuchen die Bedeutung von Dingen und Objekten, das Alltagsverhalten und die Rolle der Umwelt, wobei es auch um die Frage geht, was ich mit meiner Umwelt mache und meine Umwelt mit mir.
Hahnen: Identität ist daher nie etwas Abgeschlossenes, sondern immer ein aktiver Prozess und ein Dialog mit Kunst, Kultur, Politik und Gesellschaft. Um diese Aspekte von Identität auch außerhalb des musealen Raumes zu diskutieren, gibt es ein breites Rahmenprogramm zur Ausstellung, etwa ein Magazin, Social-Media-Angebote und eine Spotify-Playlist, die mit Songs von David Bowie, Madonna oder Conchita Wurst die Frage nach dem Entwickeln von Identität musikalisch weiterführt. Insgesamt ist die Ausstellung daher mehr als eine reine Sammlungspräsentation, sondern auch eine Einladung, sich im Museum und darüber hinaus mit der Veränderlichkeit und der Vielfältigkeit von Identitäten zu beschäftigen.
doing identity. Die Sammlung Reydan Weiss
Kunstmuseum Bochum
Vom 25. November 2017 bis 04. Februar 2018

Vernissage am 25.11.2017, 17:00 Uhr
Mit anschließendem Jazz-Konzert um 20:00 Uhr

Feste Führungen:
6.12.2017, 19:00 Uhr Into the future - Sammeln als Leidenschaft
Das Kuratorenteam des Kunsthistorischen Institus der Universität Bonn stellt ausgewählte Positionen der Ausstellung vor

10.01.2018, 19:00 Uhr
Transitiv, transnational, Transgender?
Ein thematischer Rundgang mit dem Kuratorenteam des Kunsthistorischen Instituts der Universität Bonn

www.kunstmuseumbochum.de/ausstellung-veranstaltung/details/doing-identity

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