Beide Gemälde sind typisch für die erste Schaffensphase der Künstlerin, die ab 1990 einsetzte. Anregungen hierzu entnimmt Paesler den handelsüblichen populären Hochglanz- und Modemagazinen. So dienen als Vorbilder bzw. Motive in dieser Schaffensphase alltägliche Gebrauchsobjekte und Stoffmusterproben wie u.a. von Burberry Mänteln, Burlington Socken oder Picknickdecken, die Paesler als Vorlage bewusst kauft und gerade keine eigenen Stoffmuster entwirft. Die Künstlerin greift demnach vorhandene reproduzierbare ästhetische Codes auf, die sich in der Alltagskultur bereits etabliert haben und assoziativ Auskunft über Stil- und Geschmacksfragen geben können. Diese Motive, die durchaus Bezüge zur Pop-Art zulassen, verbindet sie mit Fragen der abstrakten Malerei. So werden die Stoffmuster, die für den Betrachter eine assoziative Relation zu außerbildlichen Zusammenhängen aufweisen, soweit abstrahiert, dass die Künstlerin in der Lage ist, das Muster aus dem Stoff zu exzerpieren. Dieser Vorgang der Abstraktion, das analytische Durchdringen des Stoffes, wird manuell durch die Malerei ebenso visualisiert, wodurch sie das Bekannte der Alltagswelt allmählich entrückt. In einer rationalen und langwierigen Prozedur schichtet Paesler feine Lacklasuren übereinander, die auf der glatten, kalten Aluminiumoberfläche auftrocknen und sich fast unmerklich beginnen zu schichten. Textile Stofflichkeit, raue Oberflächen, optisch umgesetzt mit flüssigen Lacken und gebannt auf einen Träger ohne eigenen Textur. Kunst, Kunsthandwerk und Design treten hier in einen direkten Austausch.
Und ebenso wie sich das Muster anonymisiert gibt, anonymisiert sich durch den strikten rationalen Arbeitsprozess auch die Handschrift der Künstlerin. Bewusst vermeidet Paesler eine individuelle Ausdrucksform; sie verbittet sich die Ausbildung einer eigenen künstlerischen Handschrift und eines individuellen Stils. Peasler versucht vielmehr binnen ihres Œuvres die Bedeutung der Malerei innerhalb ihres postmodernen Milieus, d.h. in einer Umgebung bereits existierender individueller Ausdrücke und reproduzierbarer ästhetischer Codes, zu diskutieren. Sie vertritt die konzeptuelle Idee, dass von der Malerei der Post- bzw. der Moderne, (retrospektiv betrachtet), eine Formel, ein Kürzel übriggeblieben wäre und auch übrigbleiben müsse. Diese Formel bzw. dieses Kürzel versucht sie innerhalb ihrer Malerei zu ergründen, um in diesem Zusammenhang den allgegenwärtigen Modernismus der Malerei zu demaskieren.
So greift sie in einer zweiten künstlerischen Werkphase nun nicht mehr auf textile Muster als ästhetische Strukturen der Moderne zurück, sondern widmet sich den Künstlerhandschriften als bestehende Bildmotive, die inzwischen selber zu ikonischen Mustern avanciert sind. In den Arbeiten, die um die Jahrtausendwende entstehen, eignet sich Paesler die Handschrift von u.a. Jackson Pollock, Hans Hartung oder Lucio Fontana an. Die „reine“ Reproduktion einer einzigen Künstlerhandschrift aus Paeslers Werken lässt sich im Kunstmuseum Bonn leider nicht beobachten, wodurch es dem Besucher etwas erschwert wird, das Muster der Moderne hinter der wohl arrangierten Komposition zu erkennen. Vielmehr präsentiert das Museum zwei Werke der Künstlerin mit pudrig warmen Farbskalen, die sich durch sinnliche Collagen der verschiedenen Stilmittel auszeichnen und unter dem Oberbegriff „Orchideen“ zusammengefasst werden können. Nur in Ansätzen lassen sich die scharlachroten Tropfen auf das Dripping eines Jackson Pollock zurückführen, welches begleitet wird von intuitiv anmutenden, roten Pinselstrichen und naturalistisch gemalten, hellblauen Orchideen (Ohne Titel (Orchidee), 1999). Aber nicht nur die scheinbar unikalen Handschriften werden hier reproduziert, ebenso greift Paesler moderne Stilrichtungen wie den abstrakten Expressionismus oder den Informell (insbesondere den Tachismus) auf. Scheinbare Individualität und Expressivität werden als Reflektionen malerischer Klischees der 1960er Jahre enttarnt und als Muster für die Produktion „neuer“ Kunstwerke im höchsten Maße stilisiert. Denn was auf den ersten Blick wie eine expressive Geste wirkt, ist bloßes Kalkül, nichts wird dem Zufall überlassen. Paesler analysiert und komponiert ihre Muster moderner Malerei ebenso Schicht-für-Schicht akribisch und feingeistig wie ihre Stoffmusterbilder.