„Zwei Menschen“ – eine neue Sonderausstellung im August Macke Haus

Titelbild/ Abb. 1: Franz M. Jansen, Triptychon Zwei Menschen, 1911, Mittelteil: Öl/ Karton, 177 x 126 cm,
Seitenflügel: Öl u. Gouache/ Leinwand, je 152 x 90 cm, Städtische Museen Rheine, Foto: Städtische Museen Rheine.

Seit dem 7. März 2024 zeigt das Museum August Macke Haus in Bonn eine neue Sonderausstellung zu den Rheinischen ExpressionistInnen Franz M. Jansen (1885–1958) und Mathilde, genannt Fifi, Kreutzer (1891–1977).  Die Ausstellung umfasst eine große Bandbreite an Kunstwerken, in technischer sowie motivischer Hinsicht, und betont Zusammenhänge sowie Unterschiede zwischen den Œuvres des Kölner Künstlerpaares.

Der Titel der Ausstellung bezieht sich auf das monumentale Triptychon und ein Hauptwerk im Frühwerk von Franz M. Jansen. Besuchende werden beim Betreten des ersten Raumes – jener, der sich vom größeren Saal abtrennt – unmittelbar mit diesem Gemälde konfrontiert:  Zwei Menschen besticht durch seine expressionistische Farbpalette sowie dem Changieren zwischen der fließenden Linienführung und den flachen, stilisierten Ornamenten. In der Mitteltafel dargestellt ist das Künstlerpaar, flankiert von zwei Bildtafeln, die je eine Person abbilden. Die kontemplativen Körperhaltungen der Figuren sowie die gewählte Bildform des Triptychons samt des gold-glänzenden Rahmens verorten die Szene beinahe in einen sakralen Kontext, was die seelische Verbundenheit des Paares verbildlicht. Stilistisch evoziert das Gemälde einerseits Werke Gustav Klimts (1862–1918), im Hinblick auf die ornamentale Ausgestaltung, andererseits erinnern die gerundeten, fließenden Farbflächen an Edvard Munch (1863–1944).  Die Arbeit ist exemplarisch für Jansens stilistische Experimentierfreudigkeit, die in seinem Frühwerk insbesondere durch die Rezeption des Symbolismus, Jugendstils, Postimpressionismus und Fauvismus in Erscheinung tritt.

Abb. 2: Fifi Kreutzer, Der Drachentöter, 1912, dreiteilige Stickerei mit bemaltem Rahmen, Wolle/ Leinwand, Mittelteil: 104,5 x 132 cm,
Flügel je 104,5 x 50,5 cm, LVR-LandesMuseum Bonn, Foto: LVR-Landesmuseum Bonn, Jürgen Vogel.

Die ersten beiden Räume der Ausstellung sind separat den künstlerischen Anfängen von Jansen und Kreutzer gewidmet, während der Rest der Ausstellung die Kunstwerke beider Kunstschaffenden miteinander kombiniert und vor dem Hintergrund biographischer Informationen, abschnittsweise in chronologischer Gliederung, präsentiert. Während Jansen überwiegend Gemälde und grafische Arbeiten schuf, befasste sich Fifi Kreutzer zusätzlich zur Grafik und Aquarellmalerei auch mit dem Kunsthandwerk, spezifisch mit der Stickerei und mit Holzarbeiten. Obgleich ihr eine künstlerische Ausbildung an einer Akademie zu dieser Zeit nicht gestattet war, nahm sie bereits 1912 mit Stickarbeiten gemeinsam mit Jansen an der Kölner Ausstellung „Kunst im Handel und Gewerbe“ teil. Für das monumentale Werk Der Drachentöter erhielt sie 1913 auf der Weltausstellung in Gent die Bronzemedaille. Das als Triptychon aufgebaute Stickbild weist eine expressionistische Manier auf: Die feinen Stiche erwecken den Anschein eines dynamischen Pinselduktus aus kräftigen, kontrastreichen Farben, die von dunklen Konturlinien umfasst werden. Märchen und Mythen spielen vor allem im Frühwerk Kreutzers eine übergeordnete Rolle; auch Jansen, der zeitweise Architektur jedoch nie Malerei studierte, ließ sich durch literarische Werke inspirieren.

Abb. 3: Franz M. Jansen, Obsternte, 1914, Öl/ Leinwand,
181 x 181 cm, Museum August Macke Haus,
Schenkung Dr. Wolfgang Delseit 2023, Foto: Jens Hofmann.
Abb. 4: Fifi Kreutzer, Feldarbeit, 1927, Holzschnitt,
handkoloriert, 13,5 x 11,8 cm,
Museum August Macke Haus, Foto: David Ertl.

Überschneidungen in den Werken des Künstlerpaares finden sich stilistisch insbesondere in den grafischen Werken und auch im Hinblick auf die Motivwahl. Nach ihrer Heirat 1917 zogen Franz M. Jansen und Fifi Kreutzer von Köln aufs Land, wo sie inspiriert durch lebensreformerische Ideen der Jahrhundertwende recht naturverbunden lebten. Dies spiegelt sich insbesondere in den Werken Fifi Kreutzers wider. Ihr Interesse für die Natur, seien es Landschafts- oder Tiermotive in überwiegend grafischen Arbeiten, bleibt in ihrem Œuvre bis in ihr Spätwerk sichtbar. Von dem ländlichen Leben geprägte Themen sowie Landschaftsmalereien finden sich bei Jansen im Frühwerk, beispielsweise in der Obsternte, und im Spätwerk wieder. In den 1920er Jahren hingegen gehen die expressionistischen Züge seiner früheren Arbeiten verloren und er näherte sich stilistisch sowie inhaltlich der Neuen Sachlichkeit an.

Abb. 5: Fifi Kreutzer, Flusslandschaft mit Bergen, 1923, Aquarell u. Tusche/ Papier,
30 x 36 cm, Privatbesitz, Foto: David Ertl.
Abb. 6: Franz M. Jansen, Meine Frau (Porträt Fifi Kreutzer), 1926, Öl/ Leinwand, 88 x 53 cm,
Privatbesitz Frankfurt a. M., Foto: Leihgeber.

Die Ausstellung überzeugt durch die Fülle an technisch-differenzierten Arbeiten, vom Kunsthandwerk über Grafik bis zur Öl- und Aquarellmalerei ist für jeden etwas dabei. Die konzeptuelle Zusammenführung und gleichzeitige Gegenüberstellung des Künstler- und Ehepaares eröffnen interessante Blickwinkel – die gegenseitige Rezeption, die stilistisch-technischen sowie inhaltlichen Überschneidungen und zugleich Unterschiede in den Werken. Die beidseitige Unterstützung der Eheleute in turbulenteren und ruhigeren Lebensphasen – in Phasen des künstlerischen Erfolgs, der finanziellen Schwierigkeit oder sogar der zeitweisen Trennung – wird ebenso innerhalb der Ausstellung beleuchtet. Die eigenen künstlerischen Entwicklungen werden dabei nicht vernachlässigt, was bei Jansen aufgrund der Experimentierfreudigkeit mit den ihm umgebenden Stilströmungen und bei Kreutzer durch die diversen künstlerischen Techniken besonders zum Ausdruck kommt.

Die Sonderausstellung läuft noch bis zum 8. September 2024 im Bonner August Macke Haus. Ein Besuch lohnt sich auch in Kombination mit der Dauerausstellung im ehemaligen Wohn- und Atelierhaus August Mackes, welches sehr aufwendig und mit Liebe zum Detail gestaltet ist.