Tina van de Weyer – Zwischen Natürlichkeit und Inszenierung

Zwischen Natürlichkeit und Inszenierung. Eine Wasseruhrabdeckung mit einer integrierten Nachricht, eine Flussfahrt durch die kolumbianischen Gewässer mit mythologischen und wahrhaftigen Wesen oder Tiere inmitten einer idyllischen Natur, die seltsam eingefroren wirken. All diese Werke thematisieren den Umgang mit unserer Umwelt und den gegebenen Ressourcen und bestimmen die Kunst Tina van de Weyers. Die Frage der Natürlichkeit innerhalb dieser Umgebung beschäftigt die Künstlerin fortgehend.

Angefangen als Mediengestalterin entschloss sie sich, ihr mediales Wissen auf der künstlerischen Ebene zu vertiefen und sich an der Alanus Hochschule in Bonn auf das darauffolgende Studium an der Kunsthochschule für Medien in Köln vorzubereiten. Dort erprobte sie vor allem das Medium der Fotografie und des Films. Das Interesse an genannten Praktiken sowie die Thematik innerhalb ihrer Kunst lassen sich auch in neuen Arbeiten entdecken. Die Assoziation schwankt beim Betrachten oft zwischen Glaubhaftigkeit und dem Unnatürlichen. Die Fotoserie Tag unter (2021) offenbart das Gestein und die Verflechtungen einer Höhle, die von Lichtakzenten durchflutet wird. Eine inszenierte Welt, welche die Künstlerin mit Ton- und Modelliermasse formt, belichtet und abbildet, sodass Fotografien voller Struktur, Licht und Tiefe entstehen. Die Betrachtenden können dort eintauchen, in der manch eine:r die Realität zu sehen glaubt, während ein:e andere:r die Inszenierung erkennt. Die Idee für Tag unter entstand in den Schweizer Bergen: „Mir wurde bewusst, dass der gesamte Berg, auf dem ich stehe, von unterirdischen Gängen durchzogen ist. Diese eigene und faszinierende Welt hat mich unglaublich beeindruckt.“ äußert sich die Künstlerin.
Die „eigene Welt“ lässt sich auch in der aktuellen Arbeit Die mit dem Schlangenrock (2022) erkennen, die die künstlich angelegte Niebelungengrotte auf dem Gelände der Villa Hammerschmidt in Bonn abbildet. Diese ist für die Öffentlichkeit gesperrt und wird in Tina van de Weyers Kunst wieder sichtbar gemacht. Ihr großes Interesse, den Ort zu erschließen, wurde besonders durch diesen künstlichen Raum hervorgerufen, denn „diese gebaute Höhle erfuhr durch die Platzierung einer Skulptur eine Reinszenierung“. Die genannte Skulptur, die in den Fotografien zu sehen ist, war anfangs ein unbekanntes Objekt, das sich schließlich als aztekische Göttin der Fruchtbarkeit „Coatlicue“ entpuppte. Das Unbekannte und Vergangene dieses Ortes scheint dabei besonders geheimnisvoll. Der Eingang war in früheren Zeiten mit Fabelwesen aus der Rheingold-Oper von Wagner verkleidet, die jedoch in den 1950er Jahren demontiert wurden. Das „Rheingold“ wird in den goldenen Applikationen durch die Künstlerin wieder aufgegriffen, was nicht nur die Grotte sichtbar macht, sondern auch die Geschichte dahinter.

Die aktuellste Arbeit Mondmilch (2022) zeigt die ästhetisch inszenierte Atmosphäre einer Höhle auf, in der die Fotografien die Struktur und Oberfläche des Gesteins einfangen. Die Abbildungen von Mondmilch, wurden durch eine Invertierung der Farbgebung erzeugt, sodass die Höhle als solche nicht mehr zu erkennen ist und stattdessen unebene und bewegte Flächen entstehen, über die Milch fließt. Die Doppeldeutigkeit des Titels im Zusammenhang mit dem Zusatz der Flüssigkeit verstärkt die Aussagekraft und Wirkungsmacht des Werkes. Obwohl die Abbildungen im Inneren der Höhle entstanden sind, scheinen diese für die Künstlerin verschneite Landschaften der Außenwelt darzustellen. Dabei interessiere sie vor allem die Struktur und die Farbkomposition.
Die Eingriffe des Menschen in die Natur sowie das Unnatürliche das dabei entsteht, werden von Tina van de Weyer nicht nur aufgegriffen, sondern durch die Inszenierungen erweitert. Das Medium der Fotografie wird hierbei besonders hinterfragt und erprobt. So mischen sich Standbilder mit Animationen, indem letztere eingefügt werden oder sich physische Bilder von der Wand ablösen und in den Raum hineinragen. Die Interpretation der Thematiken und der medienüberschreitenden Werke ist dabei den Betrachtenden selbst überlassen, wie van de Weyer betont. Die Intensität der Werke kann und soll auf unterschiedlichen Ebenen erfolgen, wodurch auch die Nuancen der Natürlichkeit bis hin zu den Inszenierungen in der Wahrnehmung variieren dürfen.
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