Als Mythos bezeichnet man die identitätsstiftende Erzählung eines Volkes. Eine Erzählung über Siege und Helden, die eine Nation in der Vorzeit geprägt haben und noch heute von Bedeutung sind. Für die Deutschen ist der größte Mythos der Nachkriegszeit der Fußball - angefangen mit dem Wunder von Bern, bis hin zum Sommermärchen 2006. Das zumindest sieht Dr. Jürgen Reiche, Direktor des Zeitgeschichtlichen Forums Leipzig, so. „Kein Mythos eint Deutschland so sehr wie der Fußball“, erklärt der Historiker. Woran das liegt lässt sich in der Ausstellung
Deutsche Mythen seit 1945 visuell entdecken. In ihr wird die Zeit des Nationalsozialismus als Mythenschnitt verstanden. Deutschland hätte sich sich wieder neu finden müssen: „Der Bismarck-Mythos, die Mythen des Dritten Reichs oder der Mythos des Dolchstoßes gelten danach nicht mehr“, so Reiche.
Mythenschnitt zur Stunde Null
Die Ausstellung thematisiert die Zeit des Nationalsozialismus immer wieder, zeigt sie allerdings nicht. Ohne die dunkele NS-Vergangenheit zu negieren, versucht die Ausstellung mit feinen Nuancen, ein zustimmendes Empfinden für so manche Errungenschaften des Nachkriegsdeutschlands beim Besucher zu erzeugen; patriotische Gefühle, die häufig nicht vermittelt werden, da ein gewisser Nationalstolz gemeinhin nur bei fußballerischen Großveranstaltungen geduldet scheint. Dabei, so zeigt die Ausstellung, gibt es durchaus Gründe, auf bestimmte Ereignisse der vergangenen 60 Jahre positiv zu blicken und aus ihnen Mut für aktuelle Herausforderungen zu gewinnen.
„Wir schaffen es!“, erklärt Reiche, „Das drückt sich im Wirtschaftswunder aus, im Aufbau Ost und in vielen anderen Dingen. Was wir Deutschen angehen, schaffen wir.“