In einer Doppelstellung zeigt das Kunstmuseum Bern gegenwärtig in Zusammenarbeit mit der Bundeskunsthalle der Bundesrepublik Deutschland in Bonn eine Auswahl des Schwabinger Kunstfundes erstmalig in einem komplexen musealen Kontext. Diesem ist ein langwieriger restauratorischer und kunsthistorischer Erfassungsprozess der Werkidentität der ausgestellten Exponate unter Federführung des Projekts „Taskforce Schwabinger Kunstfund“ am Deutschen Zentrum Kulturgutverluste vorrausgegangen. Im Zuge umfangreicher Forschungsarbeit konnten bis Januar 2016 trotz immenser Bemühungen lediglich fünf Objekte (u.a. Max Liebermanns „
Zwei Reiter“ (1901), Henri Matisses „
Sitzende Frau“ (1921), Adolph von Menzels Zeichnung „
Inneres einer gotischen Kirche“ (1874) sowie Camille Pissarros „
La Seine vue du Pont-Neuf, au fond le Louvre“ (1902)) aus dem Besitz Gurlitts
eindeutig als Raubkunst sowie sechs weitere Werke als unbelastet klassifiziert werden. Die überwältigende Mehrzahl liegt in einer unspezifischen Grauzone, in der es oft an unumstößlichen Dokumenten mangelt, die einen klaren Rückschluss auf begründete Restitutionsansprüche erlauben würden. Indizien alleine halten einer juristischen Prüfung, der Kategorisierung als NS-verfolgungsbedingt entzogen, nicht statt.
Aus diesem Grund präsentiert das Kuratorenteam um Intendant Rein Wolfs und Agnieszka Lulinska rund 250 Werke als Bestandsaufnahme Gurlitt, die möglicherweise bereits 2018 anlässlich einer geplanten Folgeausstellung im
Martin-Gropius-Bau in Berlin schon wieder überholt sein könnte. Der inhaltliche Fokus liegt auf einer chronologischen Einordnung jener Exponate als Fallbeispiele für die Struktur einer NS-Kunstpolitik, die sich bekanntermaßen vor allem für jüdische Mitbürger zum katastrophalen Nachteil entwickeln sollte. Sie sollten nicht nur als Angehörige einer Religionsgemeinschaft gesellschaftlich geächtet, verfolgt und schlussendlich ermordet werden; der Raub und Verkauf ihres kulturellen Erbes u.a. in Form hochwertiger „Entarteter Kunst“ sollte ferner der Finanzierung eines regimetreuen Museums im annektierten Österreich dienen. Mit der Umsetzung dieses Anliegens beauftragte die NS-Führung ab 1938 Hildebrand Gurlitt.
Die als Rundgang konzipierte Ausstellung vergegenwärtigt in fünf Kapiteln chronologisch die perfide Kulturpolitik im Dritten Reich und ihre Auswirkungen über die Nachkriegszeit nach 1945 hinaus. Anhand von acht nachdrücklichen Fallbeispielen werden Kunstwerke den Schicksalen ihrer einstmals rechtmäßigen Besitzer beigestellt. Der Radius der Geschädigten von Hildebrand Gurlitts Praktiken reicht vom Dresdener Rechtsanwalt Fritz Salo Glaser, dem die Avantgarde um Dix und Beckmann in seiner Heimatstadt am Herzen lag, bis zum Pariser Kunsthändler Jean Lenthal, gebürtig Hans Löwenthal, einem der wenigen Überlebenden des Holocausts. Ihnen Allen war gemein, dass sie Kunstliebhaber, Juden oder „jüdisch“-stigmatisiert, gemäß der Nürnberger Gesetze von 1935, waren.