Max Ernst und die Natur als Erfindung

Kunstmuseum Bonn

In der Kunstauffassung von Max Ernst gibt es keine Festlegungen oder Grenzen. Kunst entwickelt sich nach Ernst stets weiter, losgelöst von Regeln und Normen. Als Inspiration dafür sah er die Natur. Fasziniert von ihren widersprüchlichen Elementen, nahm er in ihr sowohl Verführerisches als auch Beunruhigendes wahr. Die Ausstellung Max Ernst und die Natur als Erfindung im Kunstmuseum Bonn beschäftigt sich mit der Beziehung von Kunst und Natur im Oeuvre von Ernst. Außerdem werden Werke von 25 weiteren Künstler:innen gezeigt, bei denen die Natur auf unterschiedlichste Weise in die Kunst integriert wird.
Ein wichtiger Ausgangspunkt für die Arbeitsweise von Max Ernst ist die Frottage-Technik. Dabei wird die Oberflächenstruktur eines Materials, wie zum Beispiel Holz, durch Abreiben mit Kreide oder Bleistift auf ein aufgelegtes Papier übertragen. Das Material (und somit die Natur) wird so in den Schaffensprozess miteinbezogen und dient nicht bloß als Vorlage. Ernst arbeitete nicht reproduzierend, sondern schöpferisch. Dabei entstanden lebendige Strukturen, die in verschiedenste Bildkompositionen eingebettet wurden. Viele dieser Frottage-Arbeiten in der Ausstellung stammen aus dem Buch Histoire naturelle, welches Ernst 1926 veröffentlichte.

Neben der Frottage-Technik experimentierte Ernst mit der Décalcomanie, Collagen und der Grattage-Technik, um so einzigartige Bildwirkungen zu erschaffen, die beim Betrachter einem halluzinationsähnlichen Zustand auslösen sollen. Die Ausstellungsräume spiegeln diese Vielfalt an Arbeitsmethoden und zeigen außerdem eine Bandbreite an Motiven. So blickt man unter anderem auf Menschen, Vögel, Wälder, oder auch auf den Weltraum. Denn auch der Kosmos wird von Max Ernst und seinen Gleichgesinnten thematisiert.
Auf den ersten Blick bildet das 1936 geschaffene Gemälde Jardin peuplé de chimères ein riesiges, wirres Grasgeflecht ab. Treten die Betrachter:innen jedoch näher an das Bild heran, können sie erkennen, dass einige der Grashalme eigentlich Tiere oder Phantasiewesen sind. Der erste Eindruck täuscht. Bei längerem Betrachten lassen sich immer mehr Gestalten zwischen dem Gras entdecken. Die teilweise menschlichen Figuren scheinen mit der Natur zu verschmelzen. Solche Metamorphosen finden sich im Oeuvre des Künstlers immer wieder, sodass nicht immer klar ist, ob man nun vor einem Menschen, einem Tier oder einer Pflanze steht. Ernsts Bilder laden dazu ein, vor ihnen zu verweilen und auf Entdeckungsreise in seinen Bildwelten zu gehen.

Einige Räume weiter steht man vor cassini 40 von Thomas Ruff. Das Werk zeigt eine Aufnahme des Saturns von der Raumsonde Cassini. Ruff bearbeitete diese Aufnahme digital, indem er die Farbigkeit veränderte und das Bild vielfach vergrößerte. Dadurch verlieh er dem abgebildeten Saturn einen abstrakten Charakter. Auch hier schwingt die Idee mit, sich von der Natur inspirieren zu lassen und dann einen Schritt weiterzugehen, um etwas neuartiges zu schaffen.
Ergänzend zu der Ausstellung zeigt das Museum einen Dokumentarfilm von Peter Schamoni, der auf die Biografie von Max Ernst eingeht. Es werden prägende Lebensabschnitte wie der Krieg, seine Zeit in Paris und die Dada-Bewegung thematisiert. Der Film endet mit einem Zitat; mit Worten, die der Künstler über sich selbst fällt und die seine Bestrebungen nach grenzenloser Kunst verdeutlichen: „Ein Maler mag wissen, was er nicht will. Doch wehe! wenn er wissen will, was er will! Ein Maler ist verloren, wenn er sich findet. Dass es ihm geglückt ist, sich nicht zu finden, betrachtet Max Ernst als sein einziges Verdienst.“ -Max Ernst
Die Ausstellung Max Ernst und die Natur als Erfindung ist noch bis zum 22.01.2023 im Kunstmuseum Bonn zu besuchen. Weitere Informationen gibt es hier: https://www.kunstmuseum-bonn.de/de/