Grüne Moderne

Abbildung 1: Sicht auf das kreative Atelier, ©Foto: Hannah Jacoby
Was hat die Pflanze in der Geschichte der Kunst verloren und was hat das mit mir zu tun? Dieser Frage geht die aktuelle Ausstellung „Grüne Moderne“ im Museum Ludwig in Köln nach. Die Pflanzenwelt spielt nicht nur für uns im 21. Jahrhundert im Zusammenhang mit Umwelt- und Klimaschutz eine bedeutende Rolle. Schon früh hat man sich mit Gewächsen und ihrer Beziehung zur Kunst beschäftigt. Das Motiv der Pflanze nahm durchaus auch wichtige Funktionen in der Kunstwelt ein, die die Funktion des Dekorativen überstiegen. Ob als Spiegel der Gesellschaft oder künstlerisches Forschungsmedium nach tiefgreifenden Fragen, die Einsatzmöglichkeiten der Pflanzenthematik in der Kunst scheint unfassbar breit gefächert. Erste Kontaktmöglichkeit zwischen Pflanze und Kunst bietet das Museum in einer kreativen Werkstatt, die sich auf der rechten Seite des Foyers befindet. Wagt man einen Blick die Treppen hinunter, erkennt man ein großes Gestell, welches diverse pflanzenbeherbergende Terrarien ausstellt. Daran angrenzend laden Tische und Stühle mit Papier und Zeichenutensilien dazu ein, sich selbst an dem Spannungsverhältnis zwischen Kunst und Kraut zu beteiligen. Die zwei aneinanderschließenden Wände, die das ‚offene Atelier‘ begrenzen, sind flächendeckend mit den künstlerischen Beiträgen der Besucher:innen bespielt. Ein Zeichen dafür, dass die Thematik wohl Jeden mitzureißen scheint. Es versammeln sich die unterschiedlichsten Menschen an der kreativen Werkstatt, um gemeinsam über die Rolle der Pflanze in der Kunst zu reflektieren und zu produzieren.

Nach dem Aufenthalt in dem Atelier dürfen sich die Besucher:innen an dem Terrarien-Gestell vorbei in Richtung der Ausstellungsräume bewegen. Kurz davor zeigt sich das Haus als sehr transparente Institution, in dem in grüner Schrift alle umweltschonenden Maßnahmen, die das Museum vornimmt, aufgelistet werden. Ein spannender Einblick, der zeigt, dass die aktuellen Themen des Umweltschutzes auch nicht an Museen einfach so vorbeiziehen. Begeben sich die Besucher:innen in Richtung der Ausstellung, werden sie vorerst von einer perpendikulären Wand abgefangen. Auf ihr steht ein kurzer und nicht überladener Text, der vorbereitend als ‚Teaser‘ auf die Ausstellung wirkt. Durch diese Wand wird einem die freie Wahl gelassen, ob man die Ausstellung von rechts oder von links beginnen möchte, da sie nach Themenbereichen ausgerichtet wurde. Hierbei können keine Fehler gemacht werden. Durch das Wegfallen von einem empfohlenen Weg kann sich der/die Besucher:in ungezwungen und leicht durch die Kunstwerke hindurchbewegen. Ein schönes Gefühl das auch eventuelle Berührungsängste der Kunst gegenüber allmählich verschwinden lässt.
Das kuratorische Raumkonzept lässt einem Zeit und Volumen, um die Pflanze in der Kunst vorerst für sich selbst betrachten zu können und alleine erfahren zu dürfen. Nach einer Weile erschließen sich einem dann die vier Hauptgruppen der Ausstellung; Die Pflanze als das Andere: Unter diesem Ausstellungs-Kapitel kann beobachtet werden, wie sich Menschen mit nicht einheimischen Pflanzen in der Malerei darstellen ließen. Ein interessantes Sujet welches darüber Auskunft gibt, dass die Menschen ihre Weltgewandtheit und Intellektualität mittels Pflanzendarstellungen und -besitz, zu postulieren versuchten.
Die Pflanze als das Angeeignete: Die Blüte kam schon früh als kraftvolles Symbol der unaufhaltsamen Weiblichkeit in der Kunst zum Einsatz. Nach 1918 kam das Blumenmotiv in der Mode, in einer Zeit, in der kurze Haare nicht mehr definierend für die sexuelle Identität der Frau galt, zum Einsatz. Fast als Provokation auf die vorherrschend maskuline Angst vor der „Vermännlichung“ der Frau, ließen sich Frauen, wie beispielsweise Marlene Dietrich, mit auffällig symbolischen Platzierungen von Blüten ablichten. Die Pflanze als Form und Farbe: Hier wird die Pflanze als organische Form betrachtet und mit interessierten Blicken erforscht. Fotografen wie Karl Blossfeldt experimentierten mit dem Zurechtstutzen von Pflanzen, die in einigen Fällen bis zur Abstrahierung führen konnten.
Die Pflanze als Verwandte: Mit Zeitrafferaufnahmen wurde die Lebendigkeit der Pflanze für den Menschen sichtbar. Als lebendes Wesen trat es dem Menschen erschreckend nahe. Es ist daher kein Wunder, dass sich so manche/r Gruselszenarien ausgemalt hat, die sich auch in Filmen zeigten, die die Pflanze im Horror-Entourage darstellten. Die Vielfalt an Thematiken, die die Pflanze in der Kunst umfasst, ist wie man sieht, fast unbegrenzt. In der Kunst wird sich gerne mit wiederkehrenden Themen auseinandergesetzt, nur das Handwerk, um eine Antwort auf die jeweilige Fragestellung zu finden, variiert gern ab und zu. Um so erfrischender ist es zu sehen, wie sich Künstler:innen die Pflanzenwelt als Hilfsmittel heranzogen, um bestimmten Fragen nachzugehen.
Der Angelegenheit der Nachhaltigkeit schenkt das Museum Ludwig ebenfalls viel Aufmerksamkeit. Mit dem Ziel sich in eine klimaneutrale Institution zu verwandeln, gehen sie der Diskussion des Umweltschutzes mit ihrem Nachhaltigkeitsteam nach. Mit ihrer Ausstellung der „Grünen Moderne“ geben sie dem sogenannten „Eco-curating“ einen Lauf und sind im Inbegriff, neue Perspektiven für ein nachhaltigeres Ausstellungskonzept zu schaffen. In dem Online-Katalog der Ausstellung können detailliertere Informationen über die Vision der Nachhaltigkeit des Museum Ludwigs eingelesen werden. Natur- und Kunstbegeisterte können die Ausstellung noch bis zum 22. Januar 2023 genießen. Weitere Informationen sind auf der Internetseite www.museum-ludwig.de zu finden.