In der intimen Wohn- beziehungsweise Hinterzimmeratmosphäre des Café Lieblich gaben die musikversessenen In Situ-Gründer im gemeinsamen Gespräch Vieles über ihre Vorstellungen von Kunst und gesellschaftlichem Dialog preis. Als Georges Paul, Philosoph, Saxophonist und Bassist, und Pavel Borodin, Informatiker und Dokumentarfilmproduzent, sich ein paar Jahre zuvor über ihre gemeinsame Obsession für Musik anfreundeten, waren sie sich der Fehlstelle im Bereich zeitgenössischer Musik in Bonn nur allzu bewusst. Trotz des Wohlstands und zahlreicher kreativer Impulse der jungen Bevölkerung, hauptsächlich angezogen von der Universität, gab es in der Stadt kein breites Verständnis, keine allgemeine Bewegung hin zu einem experimentellen Musikformat im Bereich der Improvisation und des Free-Jazz. Die Gründung der In Situ Art Society, so hatten beide es wahrgenommen, sei daher die natürliche Entwicklung ihrer Freundschaft gewesen. Die empfundene Notwendigkeit, dieser Kunstform einen Raum zu verschaffen, stiftete ein so verbindendes Moment, dass Unterschiede wie Herkunft und Profession dahinter verschwanden. Diese Gemeinschaft stiftende Kraft lässt sich gleichsam auf den Verein übertragen. Es geht um kollektive Überzeugungen, die über den Einzelnen hinausreichen. Musik als etwas Zeitgebundenes, als ein Prozess, bildet immer auch das Reale ab. Sie schafft Raum für gesellschaftlichen Diskurs und leistet gleichzeitig einen wichtigen Beitrag zum selbigen.
Die Art von Musik, die einem bei Konzerten der Reihe der Dissonant Series begegnet, möchte nicht gefallen. Sie ist persönlicher Ausdruck der jeweiligen Musiker, die in unterschiedlichen Besetzungen miteinander interagieren. In ihren bislang 48 Konzerten zog die In Situ Art Society dabei musikalische Größen von nationalem und internationalem Format an. So waren im April diesen Jahres der bereits erwähnte Saxophonist und Klarinettist Peter Brötzmann mit dem Posaunisten Steve Swell und dem Schlagzeuger Paal Nilssen-Love als Trio zu hören. Rein nach den Besucherzahlen gemessen war dies das bislang erfolgreichste Konzert der Reihe. Mit einem abwechslungsreichen Programm traten die drei Musiker in der Stamm-Spielstätte der In Situ Art Society, des in der Nordstadt gelegenen Dialograums Kreuzung an St. Helena, in einen konzentrierten Dialog und lieferten Free-Jazz vom feinsten, der sich nur schwer mit Worten wiedergeben lässt.