Das Verlassen der heimischen Komfortzone und das tatsächliche Reisen hinein in dieses Unbekannte scheute er jedoch. Stattdessen waren Völkerkundeschauen und ethnologische Museen in Dresden und Berlin Quellen seiner Inspiration. Die Vorstellung der Spiegelung kulturell Fremden mit vertrauter Realität deutschen Großstadtlebens empfand er als stimulierenden ästhetischen Anreiz, dem er in seinen ausdrucksstarken Zeichnungen, Gemälden und Skulpturen nachging.
Schloss Kirchner die Augen so werden sich ihm in seiner Fantasie exotische Welten voller Farben eröffnet haben. In Werken wie
Zeichnung nach Benin-Bronzerelief (1910) oder
Akt mit afrikanischem Hocker (um 1912) adaptiert er ethnografische Objekte aus fremden Kulturräumen derart selbstverständlich zu immer wiederkehrenden Motiven in seinen Kompositionen, dass sie dem Erinnerungsschatz eines weitgereisten Kosmopoliten ähnlicher erscheinen als dem eines Mannes, der sich zeitlebens lediglich in Deutschland und der Schweiz aufhielt.
Die Bonner Schau deckt sämtliche Schaffensphasen Kirchners in ihrer Diversität ab, ohne dabei der vieldiskutierten Brücke-Phase zu viel Raum zu geben. Der inhaltliche Schwerpunkt liegt bedacht auf der etappenweisen Skizzierung der Lebensumstände zwischen 1909 und dem Freitod im Juni 1938. Besonders die Werke, die im Davoser Exils nach 1918 entstanden erfahren neue öffentliche Beachtung. Nach dem Krieg physisch schwer gezeichnet ist Kirchner mürbe und geplagt von Depressionen sowie Existenzängsten.