Existenzielle Elemente des menschlichen Daseins inspirierten den Wahl-Kölner, gesellschaftliche Normen und Gebote kritisch zu hinterfragen, bis hin zu dem Willen, diese aufzubrechen. Stetige Befragung der eigenen sexuellen Identität prägten Klaukes frühe Jahre in Bildserien wie
Self-Performance (1972/73) und
Dr. Müllers Sex-Shop oder So stell´ ich mir Liebe vor (1977) mit erigierten Plastikpenissen an die Brust geschnallt. Diese Themen durchsetzen Klaukes gesamtes Oeuvre, auch sein umfangreiches zeichnerisches Werk. Dieser Bestandteil seines Schaffens ist bislang weniger bekannt, wobei die neue Ausstellung im Brühler Max Ernst Museum des LVR, die von Dr. Achim Sommer, Dr. Jürgen Pech und Eva Lenhardt in Zusammenarbeit mit dem Künstler kuratiert wurde, nun Abhilfe schafft: 46 Jahre werden retrospektivisch in rund 400 Zeichnungen, Radierungen und Gouachen anschaulich.
Die Zeichnung eröffnet den Spielraum autonomer Verarbeitung der Gefühls- und Gedankenwelt, sie zeichnet sich durch Spontanität und experimentelle Freiheit aus. Verfremdung und Verschmelzung als Aspekte des Surrealismus´ begründen eine geistige Nähe von Klaukes zeichnerischem Schaffen zu dem Oeuvre von Max Ernst.
Die Tageszeichnungen (1970/71), die 1972 von Klauke selbst in dem Buch
(Ich & Ich). Erotographische Tagesberichte publiziert wurden, bilden den Auftakt für die phantasiereichen Zeichenwelten. Anthropomorphe Figuren, Metamorphosen eines wiederkehrenden Zeichensystems aus detailliert ausgeführten Geschlechtsmerkmalen, Fetisch-Bekleidung, verdrehten Beinen und sogenanntem „belebten“ Schuhwerk fügen sich zusammen, um geschlechtsspezifische Grenzen zu überschreiten und sich in reiner Sexualität aufzulösen. Auf diese Weise bedingte die Zeichnung die Entstehung der selbstinszenierten Fotografien Klaukes, die wiederum auf die gezeichneten Bildwelten zurückstrahlten.
Gesellschaftliche Normen und tabuisierte Sexualität sowie die Macht, die dadurch auf Individuen ausgeübt werden kann, hat den französischen Philosophen Michel Foucault zu ähnlicher Zeit beschäftigt. In seiner berühmten, zwischen den 70er- und 80er-Jahren veröffentlichten Untersuchung „Sexualität und Wahrheit“ schrieb er bezüglich Sexualität, Körper und Identität: „Jeder Mensch soll nämlich durch den vom Sexualitätsdispositiv fixierten imaginären Punkt Zugang zu seiner Selbsterkennung haben (weil er zugleich das verborgene Element und das sinnproduzierende Prinzip ist), zur Totalität seines Körpers (weil er ein wirklicher und bedrohter Teil davon ist und überdies sein Ganzes symbolisch darstellt), zu seiner Identität (weil er an die Kraft eines Triebes die Einzigkeit der Geschichte knüpft).“