Zwischen Distanz und Emphase – eine Absage an den Modernismus der Malerei

Erstmalig werden Werke der Künstlerin Susanne Paesler im Rahmen der Re-Vision, der fünften Neupräsentation der Sammlung, im Kunstmuseum Bonn gezeigt.
Fünf großformatige Werke der aus Darmstadt stammenden und später in Berlin lebenden Künstlerin Susanne Paesler (1963 – 2006) bespielen seit Ende November einen eigenen Raum im Kunstmuseum Bonn. Das Museum kaufte die Gemälde an, nachdem es bereits 2016 der Künstlerin eine Einzelausstellung im eigenen Haus (Susanne Paesler - 28.01. – 05.06.2016) widmete. In diesem Sinne zelebrierte das Museum Paesler als neue Ausstellungsentdeckung, woraufhin sie fester Bestandteil der eigenen Sammlung werden sollte. Anlässlich der Neuhängung der Sammlung sind nun fünf der sechs erworbenen Gemälde erstmalig im Kunstmuseum zu sehen und repräsentieren einen gelungenen Querschnitt durch das Œuvre der früh verstorbenen Künstlerin und die verschiedenen Phasen ihres kreativen Schaffens.
Die Gemälde von Susanne Paesler zeichnen sich durch eine direkte Bildsprache und eine daraus resultierende assoziative Eindringlichkeit aus. Eine solche emphatische Ebene konstruiert die Künstlerin durch die Verwendung bestimmter Stilmittel und aus der Alltagskultur entlehnter Motive, die sie mit dem steten Handwerk ihrer Wahl, der Malerei, umzusetzen vermochte. Paesler spielt dabei mit Mustern, die sich uns mal mehr, mal weniger offensichtlich erschließen. In den zwei ältesten Gemälden der Künstlerin, die im Kunstmuseum Bonn zu sehen sind, bannt Paesler in akribischer Feinmalerei unter Verwendung von Alkydharzlacken, die mit Ölfarben gemischt werden, Stoffmuster auf eine Aluminiumplatte, die als Bildträger dient. So bildet den ersten Blickfang im Raum, ein diagonal reproduzierter Tartan bzw. ein reproduziertes Schottenrockmuster (Ohne Titel, 1995), wiedergegeben durch eine leuchtend rote Farbskala und ergänzt durch neonpinke, babyblaue sowie olivgrüne, feine Diagonalstreifen. Der Gemäldehängung im Uhrzeigersinn folgend, schließt sich ein Werk beiger Farbigkeit an (Ohne Titel, 1996). Das auf diesem Bildträger reproduzierte Muster erinnert durch die Farbwahl an eine eher biedere Umgebung bzw. Atmosphäre, die jedoch durch eine in der unteren rechten Ecke des Bildes aufkeimende schwarze Blumenspitze gestört wird. Auffällig gibt sich nun auch ein, in Tromp-l’oeil Manier realisierte, gemalter Rahmen, welcher die Objekthaftigkeit des Motivs noch einmal unterstreicht.
Beide Gemälde sind typisch für die erste Schaffensphase der Künstlerin, die ab 1990 einsetzte. Anregungen hierzu entnimmt Paesler den handelsüblichen populären Hochglanz- und Modemagazinen. So dienen als Vorbilder bzw. Motive in dieser Schaffensphase alltägliche Gebrauchsobjekte und Stoffmusterproben wie u.a. von Burberry Mänteln, Burlington Socken oder Picknickdecken, die Paesler als Vorlage bewusst kauft und gerade keine eigenen Stoffmuster entwirft. Die Künstlerin greift demnach vorhandene reproduzierbare ästhetische Codes auf, die sich in der Alltagskultur bereits etabliert haben und assoziativ Auskunft über Stil- und Geschmacksfragen geben können. Diese Motive, die durchaus Bezüge zur Pop-Art zulassen, verbindet sie mit Fragen der abstrakten Malerei. So werden die Stoffmuster, die für den Betrachter eine assoziative Relation zu außerbildlichen Zusammenhängen aufweisen, soweit abstrahiert, dass die Künstlerin in der Lage ist, das Muster aus dem Stoff zu exzerpieren. Dieser Vorgang der Abstraktion, das analytische Durchdringen des Stoffes, wird manuell durch die Malerei ebenso visualisiert, wodurch sie das Bekannte der Alltagswelt allmählich entrückt. In einer rationalen und langwierigen Prozedur schichtet Paesler feine Lacklasuren übereinander, die auf der glatten, kalten Aluminiumoberfläche auftrocknen und sich fast unmerklich beginnen zu schichten. Textile Stofflichkeit, raue Oberflächen, optisch umgesetzt mit flüssigen Lacken und gebannt auf einen Träger ohne eigenen Textur. Kunst, Kunsthandwerk und Design treten hier in einen direkten Austausch.

Und ebenso wie sich das Muster anonymisiert gibt, anonymisiert sich durch den strikten rationalen Arbeitsprozess auch die Handschrift der Künstlerin. Bewusst vermeidet Paesler eine individuelle Ausdrucksform; sie verbittet sich die Ausbildung einer eigenen künstlerischen Handschrift und eines individuellen Stils. Peasler versucht vielmehr binnen ihres Œuvres die Bedeutung der Malerei innerhalb ihres postmodernen Milieus, d.h. in einer Umgebung bereits existierender individueller Ausdrücke und reproduzierbarer ästhetischer Codes, zu diskutieren. Sie vertritt die konzeptuelle Idee, dass von der Malerei der Post- bzw. der Moderne, (retrospektiv betrachtet), eine Formel, ein Kürzel übriggeblieben wäre und auch übrigbleiben müsse. Diese Formel bzw. dieses Kürzel versucht sie innerhalb ihrer Malerei zu ergründen, um in diesem Zusammenhang den allgegenwärtigen Modernismus der Malerei zu demaskieren.

So greift sie in einer zweiten künstlerischen Werkphase nun nicht mehr auf textile Muster als ästhetische Strukturen der Moderne zurück, sondern widmet sich den Künstlerhandschriften als bestehende Bildmotive, die inzwischen selber zu ikonischen Mustern avanciert sind. In den Arbeiten, die um die Jahrtausendwende entstehen, eignet sich Paesler die Handschrift von u.a. Jackson Pollock, Hans Hartung oder Lucio Fontana an. Die „reine“ Reproduktion einer einzigen Künstlerhandschrift aus Paeslers Werken lässt sich im Kunstmuseum Bonn leider nicht beobachten, wodurch es dem Besucher etwas erschwert wird, das Muster der Moderne hinter der wohl arrangierten Komposition zu erkennen. Vielmehr präsentiert das Museum zwei Werke der Künstlerin mit pudrig warmen Farbskalen, die sich durch sinnliche Collagen der verschiedenen Stilmittel auszeichnen und unter dem Oberbegriff „Orchideen“ zusammengefasst werden können. Nur in Ansätzen lassen sich die scharlachroten Tropfen auf das Dripping eines Jackson Pollock zurückführen, welches begleitet wird von intuitiv anmutenden, roten Pinselstrichen und naturalistisch gemalten, hellblauen Orchideen (Ohne Titel (Orchidee), 1999). Aber nicht nur die scheinbar unikalen Handschriften werden hier reproduziert, ebenso greift Paesler moderne Stilrichtungen wie den abstrakten Expressionismus oder den Informell (insbesondere den Tachismus) auf. Scheinbare Individualität und Expressivität werden als Reflektionen malerischer Klischees der 1960er Jahre enttarnt und als Muster für die Produktion „neuer“ Kunstwerke im höchsten Maße stilisiert. Denn was auf den ersten Blick wie eine expressive Geste wirkt, ist bloßes Kalkül, nichts wird dem Zufall überlassen. Paesler analysiert und komponiert ihre Muster moderner Malerei ebenso Schicht-für-Schicht akribisch und feingeistig wie ihre Stoffmusterbilder.
In ihrer Werkreihe der so genannten der moonshine paintings ab dem Jahr 2002 setzt sich die Künstlerin in konzentrierter Form gezielt mit den großen Gesten eines abstrakten Expressionismus auseinander. Eine einfache Kreisform wird mit gestischen Pinselstrichen konterkariert, sodass, bei einer pudrigen Farbskala, eine sehr sinnlich anmutende Mondscheinatmosphäre assoziiert wird. Im Kunstmuseum Bonn wird jene Werkphase allerdings nur am Rande tangiert und es lässt sich bei dem am spätesten entstandenen und zu sehenden Kunstwerk erneut eine Mischung verschiedener Stilelemente beobachten. Ohne Titel entstand im Jahr 2000 und zeigt schon die für Paeslers moonshine-paintings typische Kreisform, diese wird jedoch noch von Elementen überlagert und tritt deshalb optisch untergeordnet in den Hintergrund. Was hier in den Vordergrund tritt, ist ein durch Pixel geränderter Pinselstrich. Ein wichtiges Detail, welches Aufschluss über das letzte Muster der Moderne gibt, mit welchem sich Paesler in ihrer letzten Periode auseinandersetzen sollte.

Dem Aspekt der Digitalisierung und der Auseinandersetzung zwischen händischer Malerei und der sich dazu analog entwickelnden digitalen Malerei, widmet die Künstlerin die letzten Werke ihres Œuvres und treibt die direkte Auseinandersetzung beider Medien auf die Spitze. So erkennt Paesler schon sehr früh, dass sich Handwerk und Technik in Bezug auf Kunst gegenseitig befruchten und in der zunehmenden Digitalisierung der Welt auch immer weniger voneinander scheiden lassen werden.

In diesem Sinne ist es fast bedauerlich, dass sich eine so vorausschauend denkende Künstlerin aus diesem Leben vorzeitig verabschieden musste. Umso mehr ist es deshalb zu würdigen, mit was für einem Scharfsinn Paesler die moderne Malerei analysiert und welche Konzepte sie aus dieser Analyse gewonnen hat.