Das Esszimmer. Raum für Kunst+

„Kunst als Grundnahrungsmittel“ / Begegnung / Kommunikation
Wie der Name suggeriert, versteht die Besitzerin Sibylle Feucht ihr Esszimmer als Ort des kulturellen Dialogs und Statement gegen rein kommerzielle Galerien.

Was früher die Einfahrt in einen Hinterhof und Zugang zu einer ehemaligen Druckerei war, sind heute die großzügigen Ausstellungsräume des non-profit Kunst-Space Das Esszimmer. Raum für Kunst+ in Bonn-Kessenich. Der zur Straße gelegene Showroom greift durch seine Fensterfronten an den Schmalseiten die einstige Durchlässigkeit der Hofeinfahrt auf und eröffnet den Blick auf den bepflanzten Außenbereich hinter der Hausfassade. Über diesen bahnt sich der Weg in den zweiten Ausstellungsraum, den die aus Basel stammende Künstlerin zeitweise auch als Atelier nutzt. Die transparente Eingangssituation spiegelt im architektonischen Sinne die Herzlichkeit der Leiterin und den von ihr verfolgten Geselligkeitswunsch wider. Wie in einem Esszimmer treffen hier seit 2011 KünstlerInnen auf KunstliebhaberInnen, um gemeinsam Kunst zu reflektieren. In geschützter Hinterhofatmosphäre kann ein neuer Austausch entstehen und Freundschaften gepflegt werden. Neben der Präsentation von Ausstellungen ist der von Feucht betitelte „artist-run-space“ auch ein Vernetzungszentrum der lokalen sowie internationalen Kunstszene. Eine Künstlerkommune im modernen Sinne?
In künstlerischer Hinsicht schränkt sich Feucht weder ein, noch verfolgt sie strenge Vorgaben – das Ausstellungskonzept ist sozusagen ein konzeptloses Konzept. Die Neutralität der Namensgebung Das Esszimmer. Raum für Kunst + verhindert Schubladendenken oder vorschnelle Kategorisierungen. Rückblickend gibt es nach eigener Aussage allerdings einen leichte Tendenz zu raumbezogenen- und installativen Arbeiten, die zum Teil speziell für die Räumlichkeiten entwickelt wurden.

Aktuell läuft die Ausstellung Wechselschicht_Weltdepot / Schichtwechel, in der zwei Einzelausstellungen zeitweise ineinandergreifen. Das Ende von Rainer Barzens Ausstellung markiert die 1. Schicht und wird durch das Integrieren einzelner Werke der Kölner Künstlerin Ingrid Roscheck eingeleitet. Eine Woche lang werden beide Künstlerpositionen gezeigt, was den Schichtwechsel zur 2. Schicht suggeriert. Die Ausstellungsdauer beläuft sich in der Regel auf einen Monat und wird im Zweijahresrhythmus geplant. Durch diesen langen Vorlauf kommt es immer wieder zu prozesshaften Änderungen im Ausstellungskonzept.

Auf die Frage, wen Feucht gerne einmal im Esszimmer ausstellen würde, unabhängig von einer konkreten Realisierungsmöglichkeit, nannte sie den spanischen Barockmaler des goldenen Zeitalters Francisco de Zurbarán (1598-1664). Der Detailreichtum des stofflichen Faltenwurfs fasziniere sie momentan. Seine Werke waren zuletzt im Düsseldorfer Kunstpalast zu sehen.
Trotz ihrer kuratorischen Tätigkeit mit der Gründung des Esszimmers hat sie ihre künstlerische Produktivität nicht hinten angestellt. Erst im März eröffnete sie in Mannheim die Ausstellung Interface Error. Eigene Werke werden allerdings nie die Wände des Esszimmers zieren, denn an diesem Ort agiert sie hauptsächlich als artist curator. Ausstellungskonzeptionen versteht sie hier als Kunstprojekte, die sie in der Doppelrolle als Künstlerin und Kuratorin plant, entwickelt und umsetzt. Dass sie als Künstlerin einen anderen Blick auf Ausstellungskonzeptionen hat als Kunsthistoriker, ist der Baslerin bewusst und sie nutzt diese Gegebenheit, um interessante Spannungsverhältnisse zu erzeugen.

Als gemeinnütziger Verein rückt der rein kommerzielle Anspruch im Esszimmer in den Hintergrund. Dies ermöglicht Feucht, sich von der Bevormundung des gegenwärtigen Kunstgeschmacks befreien zu können und nach subjektivem Ermessen qualitativ hochwertige Werke auszustellen. Präsentiert wird Kunst aus der Community. Dadurch entsteht ein kleiner Ort des Widerstandes im finanzkräftigen Zahnrad des Kunstmarktes. Geld regiert die Welt, aber nicht das Kessenicher Esszimmer.

Zu jeder Ausstellung erscheint eine Publikation in gedruckter Form und digitales E-Magazin auf der Esszimmer.de – Website, was zugleich als Ausstellungsarchiv dient.