Der Garten als Kunstwerk

Im Mittelpunkt der diesjährigen Sommerausstellung Parkomanie (14. Mai bis 18. September) in der Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland steht der große Pionier des deutschen Landschaftsbaus: Hermann Ludwig Heinrich von Pückler-Muskau (1785–1871).

Anhand dreier seiner Gartenanlagen, die der preußische Edelmann landschaftsarchitektonisch zwischen 1815 und 1871 gestaltete, zeichnet die Kuratorin Agnieszka Lulinska die ungewöhnliche Biographie eines außergewöhnlichen Mannes nach. Pücklers Vita ist ein Beispiel dafür, wie mit Elan und Geschick manch Sackgasse gemieden, neue politische und philosophische Zeichen gesetzt sowie kulturelle Brücken gebaut werden konnten. Die Ausstellung konzipiert sich grob chronologisch um die Orte der Pückler‘schen Parkomanien in Bad Muskau/Łęknica (transnationales deutsch/polnisches UNESCO Weltkulturerbe seit 2004), Babelsberg (Teil des UNESCO Weltkulturerbes Potsdamer Kulturlandschaft seit 1990) sowie am Alterssitz Pückler’s im niederlausitzischen Branitz.
Die wechselnden Wandfarben der drei Kernabschnitte (Hellgrün/Rot/Beige) suggerieren dem Besucher zwar eine inhaltliche Eigenständigkeit, doch verbinden in den Schnittstellen der Themenfelder gerade die zusätzlich ausgewählten persönlichen Episoden aus dem bewegten Leben des Fürsten die losen Enden vom Frühwerk in Muskau bis zum Höhepunkt in Branitz. Seine Brautschau in England, Pückler als Literat, sein fünfjähriger „Weltgang“ in den Orient oder seine Leidenschaft für die Gourmet-Küche in geselliger Runde lassen die Besucher den geistigen und schöpferischen Entwicklungsprozess der Person und des Gartenkünstlers Hermann Fürst von Pückler-Muskau klar nachvollziehen.
Insgesamt befinden sich annähernd 250 Objekte aus über 30 öffentlichen und privaten Sammlungen in der Ausstellung. Hinzu kommt eine breite multimediale Aufbereitung von Primärquellenmaterial, etwa in Form digitalisierter Fotoalben. Ferner vermitteln Drohnenflüge über die vorgestellten Landschaftsparks in 3D dem Ausstellungsbesucher eine Vorstellung von den spezifischen Gegebenheiten vor Ort.

Hermann Fürst von Pückler-Muskau würden wir heute lapidar als einen lizenziösen Lebemann mit einem Faible für eine extravagante Außendarstellung bezeichnen. Als Mitglied der gehobenen preußischen Gesellschaft, aus dem reichsgräflichen Geschlecht der Pückler und Callenberg stammend, genoss er von klein auf die Privilegien, die eine adelige Herkunft mit sich brachte. So entwickelte sich der junge Pückler früh zu einem musischen Freigeist.

Seine architektonische Vision eines ausgewogenen Zusammenspiels von Ästhetik, Herrschaftsanspruch, Intellekt und Muße in Form eines Landschaftsparks ließ sich indes erst 1811 mit der Übernahme der kursächsischen Standesherrschaft über Muskau nach dem Tod des Vaters konkret planen und realisieren. Elementar sollten sich die „Pückler-Parks“ fortan stets durch einen harmonischen Dialog zwischen Kunst und Natur hervortun. Der Garten sollte zu einem Kunstwerk hochstilisiert werden; es sollte ein begehbares Gemälde entstehen, zugänglich für jedermann.

„Kunst ist das Höchste und Edelste im Leben, den es ist Schaffen zum Nutzen der Menschheit. Nach Kräften habe ich dies mein langes Leben hindurch im Reiche der Natur geübt.“

– Hermann Fürst von Pückler-Muskau
Die radikale Umgestaltung der Gartenanlagen Muskaus (830ha) nach den ausgefallenen Wünschen Pückler’s – u. a. aufwendige Bodenaufbesserungen, semantische Wegführung, Etablierung neuer Blickachsen durch die Versetzung von Bäumen oder das Umleiten von Gewässern – war mit horrenden Kosten verbunden. Schon bald sollten finanzielle Sorgen ein ständiger Begleiter der Eheleute Pückler werden. Dennoch leistete sich der weltmännische Graf 1822 die Erhebung in den Stand eines Fürsten, jedoch nicht ohne sich erst einmal über die anfallende Gebühr vehement zu echauffieren.

Seine Ehefrau Lucie (1776–1854) unterstützte Pückler nach Kräften bei der Realisierung seiner "Parkomanien" und fungierte in Muskau gar als dessen rechte Hand, während ihr Mann, trotz finanzieller Schieflage, auf der Suche nach Inspiration für seine Gartenkunst immerfort die Welt bereiste. Einen Aufenthalt auf die britischen Inseln (1826–1829) nutzte er nach der formalen Scheidung von Lucie gar, um nach potenziellen Investorinnen mit Heiratsabsicht Ausschau zu halten.

„Reisen ist in der Tat in England äußerst ergötzlich.“

– Hermann Fürst von Pückler-Muskau
Fasziniert vom homogenen englischen Landschaftsbau in der Improvement-Tradition eines Lancelot „Capability“ Brown (1716–1783) und Humphrey Repton (1752–1818) dokumentierte Pückler die diversen Stationen seiner Reise in privaten Alben, die mit figurativen Skizzen und Postkarten einen Umfang von bis zu 1000 Seiten erreichen konnten. Anstatt, wie erhofft, mit einer vermögenden englischen Dame kehrte Pückler lediglich mit reichlich literarischem Stoff über die Ausschweifungen des britischen Establishments nach Muskau zurück. Schelmisch veröffentlichte er diesen 1832 anonym als Briefe eines Verstorbenen. Das preußische Lesepublikum war begeistert und die Pücklers somit fürs Erste doch noch finanziell saniert. In den folgenden Jahren widmeten sie sich wieder intensiv der Gestaltung der Gärten von Muskau.
Pückler reichte es jedoch nicht, blind Unmengen von Geld in die ‚Landesverschönerung’ der Güter Muskaus zu investieren. Vielmehr war es ihm ein Anliegen, nachhaltig den jungen deutschen Landschaftsbau in Theorie und Praxis zu typisieren und in seiner Gestaltung zu professionalisieren, um ihn im gesellschaftlichen Ansehen französischen und englischen Pendants ebenbürtig zu machen.

Diesem ‚avantgardistischen’ Bedürfnis verlieh Pückler 1834 mit dem Druck des Bandes Andeutungen über Landschaftsgärtnerei, verbunden mit der Beschreibung ihrer praktischen Anwendung in Muskau in Zusammenarbeit mit August Wilhelm Schirmer (1802–1866), Maler wie Illustrator an der königlichen Porzellan-Manufaktur Berlin, offen Nachdruck. Pückler schätze das Natürlichkeit vermittelnde Charisma englischer Gärten. Seine eigene, deutsche Gartenlehre entstand folglich in enger Anlehnung an die sich zurücknehmenden englischen Parklandschaften und in konsequenter Weiterentwicklung des französischen, streng geometrisch konstruierten Barockgartens. Eine seltene Erstausgabe von Pücklers Theoriewerk überreichte die britische Königin Elisabeth II. Bundespräsidenten Joachim Gauck anlässlich ihres Staatsbesuchs 2015 als Gastgeschenk. Ebenjenes Exemplar stellt eines der Highlights in der Bonner Ausstellung dar.

Fürst Pückler war ein Mensch mit vielen atypischen Facetten und Interessen. So beschränkte er sein literarisches Schaffen nicht ausschließlich auf eine Gartentheorie, vielmehr muss sein ausgeprägtes Selbstverständnis als aufgeklärter Kosmopolit entschieden sein Bedürfnis gefördert haben, sich mit der Reihe Tutti Frutti , eine Sammlung biographischer, politischer oder religiöser Schriften, ungefragt öffentlichkeitswirksam auch zu drängenden sozial-politischen Fragen nachdenklich zu äußern. Pückler tat dies 1834 offensiv in Form einer reaktionären Analyse der politischen Ordnung Preußens. Der Fürst positionierte sich offen und entgegen der landläufigen Haltung seiner Standesgenossen als Befürworter eines Endes der Sklaverei sowie als Unterstützer eines Reformprozesses, an dessen Ende die Konstitutionalisierung einer ersten preußischen Verfassung stehen sollte.
Pücklers Ruf als begnadeter ‚Garten-Macher’ eröffnete ihm schließlich die Möglichkeit, im Auftrag des späteren preußischen Kaisers Wilhelm I. (1797-1888) und seiner Ehefrau Augusta (1811-1890) zwischen 1843 und 1849 den Park Babelsberg (135ha) in Potsdam nach den eigenen Vorstellungen zu vollenden. Er folgte dort auf seinen aus Bonn stammenden Konkurrenten Peter Joseph Lenné (1798-1866). Für Pückler war dieser Umstand Auszeichnung und Herausforderung zugleich, warteten vor Ort doch komplizierte Rahmenbedingungen auf ihn.

Das Kronprinzenpaar erwartete Großes. Pückler sollte den Park Babelsberg ästhetisch vervollkommnen, die Fortschrittlichkeit Preußens in Zeiten der aufkommenden Industrialisierung elegant in seine Gartenkunst integrieren und dem Park so zu neuem Glanz verhelfen. Angesichts extrem trockener Bodenverhältnisse und eines natürlichen Mangels an Wasser eine ingenieurtechnische Mammutaufgabe. Pückler meisterte schließlich auch diese Hürde.

Seine Arbeit im Dienst der Krone konnte allerdings nicht verhindern, dass sich Pückler 1845 doch noch von Muskau trennen musste. Seine finanziellen Mittel waren komplett ausgeschöpft. Die Liegenschaft ging in den Besitz der niederländisch-preußischen Herrscherfamilie über. Die Pücklers zogen sich auf den Familiensitz in Branitz zurück, den der Fürst mit dem gleichen Engagement nach seinen Prinzipien begann zu verschönern. Dort widmete er sich insbesondere der aufwendigen Großbaumverpflanzung. Allein 700 Bäume ließ er aus ästhetischen Gründen versetzen.

An dieser Stelle sollen aber nicht alle in der Ausstellung zu entdeckenden Geheimnisse gelüftet werden. Dem Besucher soll es obliegen, etwa das Rätsel um die goldene Ananas selbst zu lösen. Es sei noch darauf verwiesen, dass sich die Dachterrasse der Bundeskunsthalle auch in diesem Jahr wieder in eine blühende Gartenlandschaft – diesmal ganz im Sinne Pücklers – verwandelt hat. Sie lädt die Besucher zu einem parkomanischen Spaziergang inklusive weitschweifendem Blick über die Bonner Skyline ein.

Parkomanie. Die Gartenlandschaften des Fürsten Pückler kann noch bis zum 18. September besucht werden. Im Prestel Verlag ist ein die Ausstellung begleitender Katalog erschienen (39,95 Euro).
Kathrin Engelmann
Kathrin Engelmann
Doktorandin bei Frau Prof. Anne-Marie Bonnet, Universität Bonn.