Venedig, Bregenz, Köln. Das Ausstellungsdispositiv als Kunstwerk.

In Köln ist vom 22. Februar bis zum 22. Mai 2016 im neuen Ausstellungsformat hier und jetzt im Museum Ludwig die Arbeit von Heimo Zobernig zu sehen.

Yilmaz Dziewior, der Direktor des Museums Ludwig, lässt den Auftakt seines neuen Ausstellungsformats hier und jetzt im Museum Ludwig von Heimo Zobernig gestalten. Das Format sieht vor, dass Künstler und Kulturschaffende in ihrer Praxis „das Format herkömmlicher Museumsausstellungen neu verhandeln“ (http://www.museum-ludwig.de/de/ausstellungen/hier-und-jetzt-heimo-zobernig.html, Stand 11.04.). Dziewior und Zobernig arbeiteten bereits für den Pavillon Österreichs der 52. Biennale von Vene-dig zusammen. Dort installierte Zobernig zwei raumgreifende schwarze Einbauten, durch die der Pavillon ein einheitliches Bodenniveau erhielt, außerdem wurden die Rundbögen der Türabschlüsse verdeckt. Im Gewimmel der Biennale mit ihren visuell teils überlade-nen Displays wurde der österreichische Pavillon zu einem Ort der Ruhe. Der Besucher wird in seiner Raumerfahrung auf sich selbst zurückgeworfen. Er verortet sich weniger im Verhältnis zu den Exponaten, sondern mehr im Verhältnis zu dem Raum, der wiederum seinerseits stillschweigend zum Exponierten geworden ist. Auf diese Weise wurde der Pavillon auch als Kommentar zur Praxis des Ausstellens lesbar.
Vom 12. November 2015 bis zum 10. Januar 2016 zeigte das Kunsthaus Bregenz – dessen Direktor Yilmaz Dziewior von 2009 bis 2015 war – eine Heimo Zobernig Ausstellung. Unter anderem wurde dort ein maßstabsgetreuer Nachbau der Deckenabhängung aus Venedig gezeigt, der zu diesem Anlass aus Pappe gefertigt und mit schwarzer Folie überzogen wurde. Das Kunsthaus Bregenz zeigte die ehemalige Intervention so, dass ihr skulpturaler Charakter im Vordergrund stand. Aus dem Rahmen des Raums von Venedig wurde eine eigenständige Plastik, an der sich aber deutlich die räumliche Struktur des Pavillons von Venedig ablesen ließ. Der Nachbau wurde in Bregenz in einem Raum, der größer ist als derjenige in Venedig, unter die Decke gehangen. Kuratorisch spiegelt sich so dessen ursprüngliche Funktion – d.i. die der Deckenabhängung im Rahmen der Biennale. Die Aussparungen, die u.a. durch die Pfeiler des Pavillons in Venedig bedingt sind und Begrenzungen, die im Nachbau fehlen, erwecken einen skulpturalen Eindruck, wodurch ein gattungsspezifisches Spiel von Ein- und Ausschlüssen entsteht.
Der Nachbau wurde nach Ende der Ausstellung in Bregenz jetzt nach Köln transportiert. Unter den Vorzeichen, die das Ausstellungsformat setzt, wurde hier interveniert (Heimo Zobernig, o.T., 2016). Das Bregenzer Material wurde dazu in Kuben unterschiedlicher Größe überführt. Sie dienen einerseits als Sockel für Skulpturen und Plastiken, die Zobernig für seine Kölner Intervention aus der Sammlung des Museums auswählte. Außerdem markieren die schwarzen Einbauten auch einen Parcours, der sich über zwei Räume in der ersten Etage erstreckt, welche nicht miteinander verbunden sind. Der klassische Rundgang wird so zu einem Labyrinth ohne konkretes Ziel, dafür mit Wegen, die nicht weiterführen und den Besucher zwingen, sich neue zu suchen. An manchen Stellen versperrt Zobernigs Arbeit jedoch nicht nur den Weg, sondern gibt gleichzeitig den Blick in andere, nicht begehbare Räume frei. Der kuratorische Gestus verdichtet sich hingegen im größten Raum der Ausstellung: dort sind auf einem etwa kniehohen, ca. 5 x 3 m2 großem Podest Skulpturen aus der Sammlung des Museums zueinander in Beziehung gesetzt. Dort begegnen sich etwa die beiden Vogelskulpturen la chuette, 1952, Pablo Picassos und Hans Uhlmanns Vogel von 1954. Lässt man den Blick nach rechts wandern, räkelt sich etwa mittig Renée Sintenis Daphne aus den 30er Jahren. Man hat den Eindruck, als wäre sie just von Isa Genzkens o.T. (Designstuhl) aufgestanden, der schräg rechts hinter ihr steht. Abgeschlossen wird dieses Ensemble durch ein „Waschbecken“ Claes Oldenburgs. Anders als in Venedig, wo die Präsenz der Installation so subtil war, dass Besucher, die den österreichischen Pavillon nie zuvor gesehen hatten, zunächst nicht erkennen konnten, worin die Arbeit bestand, vermittelt die Kölner Installation dies recht deutlich. Sie hebt sich durch ihre schwarze Farbe stark von der White Cube Situation des Museums ab, und stellt sich dem Besucher buchstäblich in den Weg. Etwa wenn man den ungefähr einen Meter breiten Durchgang im großen Raum beschreiten möchte. Biegt man dort scharf rechts ab, kann man etwa 5m gehen, während man übermannsgroß von Zobernigs Einbau umgeben ist. Doch der enge Gang endet abrupt: der Besucher muss umkehren. In seiner Drehung auf spärlichem Platz kann er zu seiner Linken in einer Nische Césars Compression von 1981 entdecken. Wahrlich, man kann sich in diesem Moment hervorragend mit der zusammengepressten Autokarosserie Césars identifizieren.
Worin besteht nun die Verbindung zwischen diesen drei Ausstellungen? Im Material? Venedig und Bregenz sind nicht über eine materielle Einheit verbunden. Hier herrscht eine Referenz auf Venedig, die hauptsächlich von außen an die Objekte herangetragen wird, denn es ist jeweils ein anderer Modus gegeben: In Venedig ist es das Ausstellen des Raumes als Exponat, in Bregenz eine Plastik, die gewissermaßen Venedig repräsentiert, jedoch in einem anderen Präsentationsmodus erscheint. Köln und Bregenz wiederum sind materiell identisch, jedoch unterscheidet sich der Kontext, sowohl räumlich – die Kölner Installation ist über mehrere Räume verteilt – als auch durch die Einbindung anderer Exponate.

Die Verbindung, die allen gemein ist, muss also eine thematische zu sein. Trotz oder gerade wegen der unterschiedlichen Materialien und der verschiedenen Displays kann doch ein gemeinsames Sujet ausgemacht werden. Und zwar das des Ausstellungsdispositivs als Kunstwerk, mit allen darum wabernden Diskursen um den Künstler als Kurator, archetypisch Marcel Duchamp, und den Kurator als Künstler, hier etwa Harald Szeemann.
Dieser Diskurs läuft immer wieder auf die Frage nach den Machtverhältnissen im Betriebssystem Kunst hinaus. Die Intervention Zobernigs bekam in Köln ein eigenes Schild, das sie als Kunstwerk ausweist: „Heimo Zobernig, o.T., 2016, Pappe mit schwarzer Folie“. Ob dies aus versicherungstechnischen Gründen geschehen ist oder nicht, es zeigt deutlich, dass es eine klare Rollenverteilung gibt. Da das Kunstwerk von Heimo Zobernig stammt und bekanntlich derjenige, der ein Kunstwerk hervorbringt, notwendigerweise Künstler genannt, wird ist klar: Heimo Zobernig ist ein Künstler. Der Ausstellungsankündigung im Web (http://www.museum-ludwig.de/de/ausstellungen/hier-und-jetzt-heimo-zobernig.html) und Print ist weiterhin zu entnehmen, dass Yilmaz Dziewior der Kurator der Ausstellung ist. Die Rollen, die von der Institution Museum vorgegeben werden, sind also weiterhin gültig, obschon die Intervention das Potential hat, diese zu unterwandern. Ein Potential, das bereits im Ausstellungsformat angelegt ist, wird doch dort eine der klassischen Museumsaufgaben, nämlich die Reflexion und Re-Kontextualisierung der Sammlung an Außenstehende übertragen.

Hier und Jetzt im Museum Ludwig möchte den klassischen Museumsbetrieb an das zeitgenössische Kulturgeschehen anbinden. Im Falle der Heimo Zobernig Ausstellung ist dies auf ironische Weise gelungen, indem die klassischen Grenzen im Kultur- und Kunstbetrieb spielerisch verschoben werden: jene zwischen Künstler und Kurator, Skulptur und Architektur, Ausstellung und Kunstwerk. Doch indem die Institution dem Diskurs, der über sie geführt wird, den Ort zuweist, behauptet sie gleichsam ihre Macht. Hierbei fehlt die nötige Distanz für eine wirklich kritische Beschäftigung mit der Thematik, muss es doch zu einem Interessenskonflikt kommen, wenn eine Ausstellung über eine Sammlung von der sammelnden Institution angeregt und organisiert wird.
Dies äußert sich unter anderem auch darin, dass der Ausstellung nur zwei verhältnismäßig kleine Räume eingeräumt wurden, in denen die Intervention Zobernigs zu einer Spielerei am Rande degradiert scheint. Das Vorhaben, Ausstellungen auszustellen, würde wohl deutlicher hervortreten, wenn diesem mehr Platz eingeräumt wird, beispielsweise eine komplette Etage. Das wäre im Rahmen der Neuhängung der Sammlung durchaus möglich und sicher interessant gewesen.

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