Dass auch (kunsthistorische) Begrifflichkeiten einem Wandel unterliegen und stets neu reflektiert werden müssen wird durch die Bandbreite der insgesamt 35 in der Stadt präsentierten Arbeiten vermittelt. So scheint etwa der Beitrag Nicole Eisenmans (*1965)
Sketch for a Fountain¹ im Kreuzviertel zunächst einem traditionellen Skulpturbegriff verschrieben: eine Brunnenanlage, bestehend aus einem rechteckigen Wasserbecken, zwei Bronze- und drei Gipsfiguren, die motivisch an Édouard Manets berühmtes Ölgemälde
Frühstück im Grünen (1863) erinnert. Wie Manets Ausflugsgesellschaft scheinen Eisenmans bizarre Figuren das müßiggängerische Verweilen in der Natur zu genießen. Mit ihrer grob gestalteten, fast karikaturartigen Figurengruppe bricht Eisenman, eigentlich als Malerin bekannt, mit der wohlgeformten und detailliert ausgearbeiteten traditionellen Brunnenfigur und präsentiert dennoch eine vergleichsweise konventionelle Auffassung von Skulptur. Andere Arbeiten loten die Grenzstellen von Begrifflichkeiten wie Skulptur, skulptural, performativ oder installativ insbesondere in Bezug auf Räume aus, verändern und ermöglichen sie.
So laden etwa Aram Bartholls (*1972) an drei verschiedenen Orten in Münster installierten Werke
12 V,
5 V und
3 V zur Reflexion darüber ein, wie technische und digitale Prozesse in den täglichen Lebensraum eingreifen. Gregor Schneider (*1969) thematisiert mit
N. Schmidt Pferdegasse 19, einer Wohnungsinstallation, die über einen Seiteneingang des LWL Museums begangen werden kann, die Grenzen zwischen institutionellem und privatem Raum. Ein Privatraum wird in einem öffentlichen Haus gezeigt und entzieht sich durch seine Abgeschlossenheit dennoch dem Institutionellen. Einen nahezu science-fiction-artigen Raum hat der Künstler Pierre Huyghe (*1962) mit
After ALife Ahead in einer ehemaligen Eissporthalle geschaffen: die einstige Eislaufbahn ist einer Mischung aus Betonplateaus, Lehm, Sand und Pfützen gewichen, die an eine unheimliche Kombination aus Mondlandschaft und archäologischer Grabungsstätte erinnert. Auch ist die Halle ein Lebensraum für diverse Tiere, etwa einen Fisch und eine Schnecke in einem zentral platzierten Aquarium. Diese stehen in einem Wechselverhältnis mit einer Reihe nicht sichtbarer Prozesse in der Halle, beispielsweise dem Wachstum von Zellen in einem Inkubator. So eröffnen die
Skulptur Projekte 2017 Fragen nach dem Verhältnis von Kunst-, Stadt- und Lebensraum, öffentlichem und privatem Raum, Leerstellen und Grenzen dieser Räume und Begriffe, wo und wodurch sie sich verschieben, verwischen oder ineinanderfließen.
Hier geht's zum Artikel „Skulptur Projekte Münster 2017_Teil 2“.