Vor verschneiter alpiner Landschaft setzt die Erzählung an einem Wintermorgen im Jahr 1933 mit einer prägnanten Erfahrung im Leben des Protagonisten Andreas Egger ein. Nach Eggers vergeblichen Versuch, den sterbenden Ziegenhirten Johannes Kalischka, der von der Dorfgemeinschaft nur
Hörnerhannes genannt wird, vor dem Tod zu bewahren, begegnet er in der Dorfschänke zum ersten Mal seiner großen und einzigen Liebe Marie.
Auf diese Episode folgt eine weitgehend chronologische Lebensbeschreibung, die mit einer Schilderung der rauen Kindheit des bodenständigen Protagonisten einsetzt. Als etwa vierjähriges Kind kommt Andreas Egger auf den Hof des Großbauern Kranzstocker, der den Jungen seiner Schwägerin, vor allem des Geldes wegen, bei sich aufnimmt. In den folgenden Jugendjahren erfährt Egger mehr Schläge als Zuneigung, bis er sich seinem Dasein als geprügelter Hofknecht entziehen kann. Trotz einem krummen und hinkenden Bein, das ihm ein zu fester Peitschenhieb des Großbauern beschert hat, kann er sich einem Arbeitstrupp des Bergbaus anschließen. Bei der Errichtung der ersten Seilbahnen der Region erweist er sich als ausdauernder, kräftiger und fleißiger Arbeiter. Seine Kollegen helfen beim Heiratsantrag an seine Marie und Egger ist ein glücklicher junger Mann. Doch die Freude ist nur von kurzer Dauer. 1935 begräbt eine Lawine Eggers gerade erst selbstgebaute Hütte und seine schlafende junge Braut Marie unter sich. Für Egger folgen Kriegsdienst und jahrelange Gefangenschaft in einem russischen Lager. Nach der Heimkehr in sein Alpendorf verbringt er dort als Touristenführer durch die ihm vertrauten Berge seine letzten Jahre.
Insgesamt wird Eggers Leben als ein hartes und entbehrungsreiches Dasein geschildert, dem es
trotz seiner Einfachheit nicht an Tiefe mangelt. Obwohl er ein weitgehend einsames Leben führt, das von harter Arbeit und dem Verlust seiner großen Liebe geprägt ist, zeichnen sich in seinem Wesen keine Spuren von Verbitterung ab. Seethaler erzählt von einem widerstandsfähigen Mann, der mit sich und seiner Welt einen unerschütterlichen Frieden wahrt. Jemand, der das Leben so geschehen lässt, wie es eben geschieht – nicht aus resignierter Passivität, sondern aus Weisheit. In einer distanzierten und schlichten Sprachweise schildert Seethaler das Leben dieser genügsamen und etwas verschrobenen Figur äußerst sensibel und feinfühlig.
Ein ganzes Leben ist ein schmales Buch mit beträchtlichem Gehalt.