Naomi Liesenfeld – Exposé einer Künstlerin

Stille im Atelierhaus 2 an der Dorotheenstraße in Bonn. Die Künstlerin Naomi Liesenfeld betritt am Morgen den Raum und fängt inmitten des fein säuberlich geordneten Chaos an, an ihren Ideen weiterzuarbeiten. Unter ihrem Arm befindet sich ein Skizzenbuch, mit dem Liesenfeld gerne arbeitet und in welchem sie ihre alltäglichen, intuitiven Einfälle festhält. Und sie braucht die künstlerische Praxis, um nachzudenken. Während des Arbeitsprozesses entstehen immer wieder neue Ideen und neue Fragen werfen sich auf. Doch wie sehen die Antworten aus, nach denen Sie tagtäglich in ihrem künstlerischen Schaffen strebt?
Liesenfeld interessiert sich insbesondere für Arbeiten, die keinen fixierten Zustand besitzen, sondern denen die Qualität der Wandlung innewohnt. Derartige Transformationsprozesse finden sich ebenfalls in der Natur wieder. Wenn Wasser zu kalt wird, friert es und wenn es zu warm wird, verdampft es. Kein fester Zustand eben.
Dass die Natur selbst im Interessenfeld der Kunstschaffenden steht, hat sich dabei schon früh abgezeichnet. Aufgewachsen ist Naomi Liesenfeld in der Gemeinde Leubsdorf bei Neuwied. Prägend war dabei, dass sie im Ländlichen beheimatet war und somit eigentlich permanent von Natur umgeben war. Heute hat sie Leubsdorf gegen Bonn ausgetauscht und baut die Natur aktiv in ihre Kunst ein. Unter anderem stellt sie selbst Farben aus Pflanzen und Früchten her. Aus Kornblumen produziert die Künstlerin durch das Trocknen und Feinmahlen Pigmentpulver. Aber auch selbst gewonnene Säfte aus Pflanzen und Früchten finden ihren Weg in die Kunst der Rheinländerin. Die Palette umfasst von der Süßkartoffel bis hin zu dem Radicchio, gelber Paprika, Minze und dem, vor allem in deutschen Haushalten so beliebten Rotkohl. Genau die Lebensmittel, die sie 2016 im Rahmen ihrer Farbstudien im Saarländischen Künstlerhaus Saarbrücken e.V. verwendet hat.

Die natürliche Wertschöpfungskette wird hierbei voll ausgenutzt und Nebenprodukte werden ebenfalls verwertet. In einem ihrer Werke von 2017 hat die Künstlerin aus den Trestern von Karotten Papier geschöpft, um darauf Tinte aufzutragen. Einen Titel gibt die Künstlerin nicht an. Dabei zeigt das Werk aber eben auf, dass für die Kunstschaffende manchmal das Nebenprodukt viel interessanter ist als das ursprüngliche Objekt. Diesen konzeptionellen Ansatz hat die Künstlerin schon während ihrer Studienzeit in Saarbrücken verfolgt, wo sie neben konzeptueller Malerei auch Bildhauerei/Public Art studierte. Vorbilder damals: Richard Tuttle sowie Agnes Martin, welche als Vertreterin des abstrakten Expressionismus ganze Generationen von Künstler*innen inspirierte. Ebenfalls im starken Zusammenhang mit der Naturthematik ist dabei ihr terminus herbaceus aus dem Jahr 2018. Das Projekt bestand aus einem Wildstaudenbeet im Vorgebirgspark Köln, dem Liesenfeld mit zweifach gebrannten und glasierten Keramiken einen Dialogpartner zur Seite stellte. Mit den verschiedenen Wildstauden deckte die Künstlerin dabei eine bunte und große Auswahl an Farben ab. Die gelbe Scharfgabe nebst einer orange-roten Echinacea, das Purpur aus der Fetthenne, Rotviolett aus dem Sommerflieder oder aber die blauviolette Katzenminze sowie der blaue Rittersporn.
Neben der Natur ist ein weiteres Interessenfeld Liesenfelds das Verhältnis von Zeit und Zustand. Die Momente, in denen ein Objekt sich in einen Raum begibt und dabei selbst versucht eine Art von Raum entstehen zu lassen. Ein Werk von ihr, welches an dem Punkt von Formveränderung in einem Raum ansetzt ist winden 2 aus dem Jahr 2012. Die Künstlerin hat eine 3 x 2 m große Leinwand mit einem Draht präpariert, um dem Objekt so eine Dreidimensionalität zu verleihen. Das Besondere ist, dass das Werk auf diese Weise wandelbar bleibt. Ihr aktuellstes Werk führt dieses Konzept fort. Liesenfeld hat Eisendrähte mit Leinengewebe ummantelt und färbte dieses mit Öl- sowie Acrylfarbe. Auf diese Weise kann das Kunstwerk jedes Mal aufs Neue in eine andere beliebige Form gebracht werden.
Diesen modularen Ansatz konnte die Kunstschaffende hier in Bonn weiterentwickeln, wo sie von 2012 bis 2018 als Stipendiatin des Cusanuswerks gefördert wurde. Auch zukünftig will Liesenfeld diese Art der Kunst mit in ihr Repertoire einbauen. Was für künstlerische Einfälle noch kommen mögen, eines steht jetzt schon fest: sie werden alle ihren Weg in das Skizzenbuch der Künstlerin finden. Der intuitive Charakter, der den Kunstwerken sowie ihrem Arbeitsprozess innewohnt, wird ebenfalls bestehen. Und wenn Liesenfeld nach einem Tag ihre Werkstätte verlässt, wird auch wieder Stille in das Atelierhaus 2 in Bonn eintreten.