Leere, Fülle, Licht und Klänge in der ehemaligen Blumenhalle des Bonner Kunstvereins

Seit dem 16. September 2023 präsentiert der Bonner Kunstverein die Einzelausstellung Michael Kleine – in der Blumenhalle, kuratiert von Fatima Hellberg, die bis zum 17. Dezember 2023 gezeigt wird.

Wer ist dieser Künstler, der mit seiner ersten Einzelausstellung die Ausstellungshalle in einem anderen Licht eröffnet? Kleine, geboren 1981 in Lahr, studierte Musiktheaterregie in Hamburg und ist überwiegend im Theaterbereich tätig. Sein künstlerisches Schaffen reicht von Bühnenbildern, Musik, Ausstellungsarchitekturen hin zur bildenden Kunst. Bei der Inszenierung seiner Kunstwerke spielen Klang, Architektur und Licht eine wichtige Rolle, die sich immer wieder in seinen Präsentationsformaten wiederfinden.

Genau diese Elemente lassen sich bei der Einzelausstellung in der ehemaligen Blumenhalle beobachten. Bei dieser Inszenierung spielt der Raum an sich, in Wechselbeziehung mit den Besucher*innen, die sich in ihm bewegen, eine zentrale Rolle. Wichtig sind die Fragen: Wie wird Kunst antizipiert? Wie fühle ich mich bei der Rezeption von Kunst?

Mit einem Requisit aus dem Theater, das zu den Besucher*innen auf den Vorplatz des Kunstvereins hinabschaut, beginnt die Ausstellung. Es handelt sich um eine kopierte Renaissance Skulptur aus dem Theater, welches hier nochmal durch eine Platte und einer grünen Leuchtquelle modifiziert wurde. Dazu kommen einige Bänke und eine befestigte Laterne auf dem Vorplatz, die Teil der Inszenierung sind. Diese Requisiten der Stadt beleben in gewisser Weise den Vorplatz und laden zur Interaktion ein. Es ist Kleines persönlichem Interesse geschuldet, dass in der Ausstellung immer wieder „gefundene Objekte“ aus dem Theater ausgestellt werden. Beispielsweise finden sich in einer der Ausstellungsräume an der Wand hängende Textile, die an Tapisserien erinnern und beim genaueren hinschauen eine reliefartige Textur andeuten. Es handelt sich um gebrauchte Arbeitsflächen aus der Oper, die in dieser Inszenierung eine neue Energie von Alltäglichkeit versprühen. Die Positionierung der Textile und die Gesamtkomposition des Raumes schafft eine neue Ästhetik und Raumdynamik, die den Besucher*innen eine neue Bedeutung der Objekte vermitteln soll.
Die ganze Inszenierung trägt eine religiöse und spirituelle Stimmung mit sich, die besonders durch die Ausstellungsarchitektur sowie durch die Klänge und das Lichtspiel ausgelöst wird. Ein Brunnen mit gegenüberliegenden Sitznischen lädt dazu ein, einen Moment zu verweilen, um allein auf die Dunkelheit zu blicken, die Geräusche des Brunnens zu hören, über die gesehene Materialität nachzudenken und bei sich selbst zu sein. Ein Glockenrad, das alle 15 Minuten erklingt, unterbricht die Ruhe. Es reißt einen aus seinen Gedanken, füllt gleichzeitig die Räume mit Klängen und unterstreicht nochmals die religiöse Stimmung der Gesamtkomposition. Die bewusste Elementreduzierung und gewisse Leere der Räume lassen die Konzentration auf Zeitlichkeit und Ruhe zu. Jedoch ist diese Rezeption von Kunst ganz von der Entscheidung der Besucher*innen abhängig. Nach Kleine „ist die Leere eine Möglichkeit, Raum zu schaffen. Das Kunstwerk ist für die Rezipient*innen da und sie können entscheiden, ob sie es füllen möchten.“
Über eine Treppe, die im Ausstellungsraum platziert wurde, werden die Besucher*innen in einen anderen Raum geführt. Dort findet schlussendlich ein unerwarteter kontrastreicher Wechsel statt, indem die Besucher*innen aus der Dunkelheit in die Helligkeit treten. Durch einen von Tageslicht gefluteten Raum wird eine ganz neue Wahrnehmung freigesetzt. Michael Kleine greift hier das Objekt der Treppe auf, welches er schon 2021 in der Gruppenausstellung „The Holding Environment I & II“ des Kunstvereins einbaute. Dabei ging es auch darum, über die Treppe eine veränderte Raumerfahrung zu erzeugen.
Durch das Fehlen jeglicher künstlerischer Objekte, wird die industrielle Atmosphäre der damalige Verkaufshalle widergespiegelt. Allein der Raum mit dem Lichtwechsel ist als das künstlerische Objekt zu verstehen, der mit geöffneten Dachfenstern Luftzüge und Geräuschen von draußen das Fließende zwischen innen und außen schafft. Es sind die individuellen räumliche Gegebenheiten verschiedener Faktoren, die nach Kleine zusammenwirken und eine „Art Aktivierung“ auslösen. Diese Aktivierung ist an die Rezipient*innen gekoppelt, „ sie gestalten ihr Erleben des Kunstwerkes eigenständig, es existiert nicht nur aus sich selbst heraus“, sondern ist von der Wahrnehmung abhängig.

Demnach kann die Wirkung der Ausstellung nicht allgemeingültig festgelegt werden, denn jeder erlebt diese Ausstellung individuell für sich. Zudem werden die Werke Kleines je nach Rezipient*in unterschiedlich verstanden, genauso wie die Ausstellungshalle an sich. Abhängig davon, wie oft die jeweiligen Besucher*innen die Ausstellungen des Bonner Kunstverein schon besucht haben, fällt der Wandel der Architekturen besonders ins Auge und an bestimmten Stellen können Verbindungen zu vergangenen Ausstellungen sichtbar werden. Diese Verbindungen und Überbleibsel dokumentieren ein Stück Geschichte des Bonner Kunstvereins, welche auch im Zusammenhang mit dem 60-Jährigen Jubiläum am 10. November zu sehen ist, das der Bonner Kunstverein dieses Jahr feiert.