Matej Bosnić – Die Geschichte eines Raumes kreieren

Die Geschichte eines Raumes kreieren. Mit seinen Rauminstallationen erzählt Matej Bosnić Geschichten. Es sind die Geschichten von den Räumen, in und mit denen der 32-jährige arbeitet. Intensiv fühlt er sich in jeden neuen Raum ein, erkundet die Stimmung und Atmosphäre, die Identität des Raumes in der Art und Weise, wie diese sich ihm offenbart. Was für ein Ort mag dieser Raum gewesen sein? Was für ein Ort ist dieser Raum heute? Wie könnte er zukünftig aussehen? Eine mögliche Antwort formuliert Bosnić in seinen Installationen, indem er eine fiktive Geschichte des Raumes im Echo seiner eigenen Erfahrungen kreiert.

Matej Bosnićs eigene Geschichte begann 1990 im heutigen Kroatien. Ohne direkte Erinnerung an den Jugoslawienkrieg, in dessen Verlauf bis 1995 auch Bosnićs Geburtsstadt Osijek stark zerstört wurde, sind Ruinen und verlassene Gebäude zu den Spielplätzen seiner Kindheit und Jugend geworden. Damals habe er sich beim Durchstreifen der Orte oft gefragt, wie sie einst ausgesehen haben mögen und welche Geschichten sich hinter den sichtbaren Spuren der Vergangenheit verbergen könnten.
Nach einer zunächst traditionellen Malerei- und Zeichenausbildung an der Kunstakademie in Split in Kroatien knüpfte Matej Bosnić während seines Diplomstudiums an der Hochschule für Bildende Kunst in Braunschweig an die Erinnerungen aus seiner Kindheit an. Als Meisterschüler von Thomas Rentmeister (*1964) nutzte er beispielsweise Materialien wie verbrannte Holzbalken und präzise an die weiße Wand geworfene Asche, um den Raum mit Spuren eines für die Betrachtenden unbekannten Ereignisses zu versehen. Im Dialog zwischen Raum und Material scheint die Geschichte des Ortes verborgen zu sein.

Selbstreflexiv die eigene Geschichte verarbeitend entwickelt Matej Bosnić ortsspezifische Arbeiten, die sensibel den Charakter des Raumes interpretieren. Einzelne Raumaspekte werden betont, andere werden ausgeblendet; neue Objekte und Materialien werden hinzugefügt, um die Wirkung des Raumes gezielt zu justieren. Indem abwechslungsreiche Materialien und teils fragmentarische Details der Leere des Raumes begegnen, formulieren sie Erzählungen, die gerade an den Leerstellen durch die individuellen Erfahrungen der Besucher*innen gefüllt werden wollen.
Seine Arbeit porous intentions in der Städtischen Galerie Eichenmüllerhaus in Lemgo aus dem Jahr 2021 wirkt wie eine verlassene Werkstatt. Der schwarze Fußboden ist mit feinem, weißem Pulver bedeckt, als wäre er dick eingestaubt. Auf metallenen Böcken stehen in der von Fenstern umgebenen Raumecke zwei Tische aus Metallgittern. Lediglich das Tageslicht fällt in den hellen Raum und reflektiert in den auf den Tischen liegenden Glasscheiben. Durch das weiße Pulver führen zwei schmale Wege zu den Tischen.

Auf den Tischen liegen durch Tonklumpen getrennte Glasscheiben aufeinander. Auf die untere Scheibe wurden Fotografien abgezogen. Wasser benetzt die Glasflächen, lässt die Fotografien bis zur Unkenntlichkeit verschwimmen und tropft durch die Metallgitter auf das am Boden liegende Pulver. Es hinterlässt kalkige Spuren auf den Glasscheiben, lässt das weiße Pulver porös verklumpen und bräunlich verfärben. In der sich entwickelnden Patina überlagern Vergangenheit und Gegenwart einander. Die systematisch platzierten Materialien werden den nur bedingt kontrollierbaren Veränderungsprozessen überlassen und zeichnen ihre eigenen Spuren in einer Synergie von Struktur und Zufall. „Ich weiß, was ich kontrollieren will, aber ich weiß auch, was ich nicht kontrollieren kann“, erklärt Bosnić.
Um die fingierten Erinnerungen entdecken zu können, müssen die Besucher*innen sich durch die schmalen Wege zu den Tischen bewegen. Inspiriert sei der Parcours durch die Ästhetik von Ritualen aus sakralen Kontexten, in denen Interaktion räumliche Leere füllt. In diesen Bewegungsritualen werden die Besucher*innen zum Teil der Geschichte des Raumes, der als immersives Medium nie simultan erfahrbar ist und so das Erkunden und Erleben voraussetzt.

Bei den offenen Atelierhaustagen 2022 knüpft Matej Bosnić an diese Arbeit an. In seinem Atelier kreiert er die Geschichte eines Raumes, der ihm sehr gut bekannt ist. Was für ein Ort könnte dieses Atelier wohl sein?
Kontakt:
m.bosnic@posteo.net
www.metejbosnic.com