So treten hier Stoffe, die durch die traditionelle Knüpftechnik entstanden sind, mit jenen, die aus einer Fabrik stammen, in Interaktion. Die einzelnen Segmente ergeben einen Gesamtkomplex, in dem die Gemeinsamkeiten der Textilien, die aus verschiedenen Kulturkreisen zu kommen scheinen, hervorgehoben werden. In Aladağs Werken arbeiten die Materialien trotz ihrer Unterschiede stets zusammen. So ist es auch in Pattern Kinship Cloud. Dieses Werk verknüpft Ornamente aus Architekturkontexten miteinander, die sich in Städten aus aller Welt befinden. Ergänzt wurde dieses neue Gefüge mit weiteren abstrahierten Formen, wie Tiertatzen. Die Muster werden in einer organischen Form, die einer Wolke ähnelt, vereint.
Nevin Aladağ, Pattern Kinship Cloud, luminous, 2023, Wasserstrahl geschnittenes Aluminium, handbemalt mit Acrylfarbe, © VG Bild-Kunst, Bonn 2024, Foto: Ana Aguilera
Nevin Aladağ, Pattern Kinship Cloud, luminous, 2023, Wasserstrahl geschnittenes Aluminium, handbemalt mit Acrylfarbe, © VG Bild-Kunst, Bonn 2024, Foto: Ana Aguilera
Beim Durchlaufen des Ausstellungsraums wird eine atmosphärische Geräuschkulisse spürbar. Die Quelle der Töne findet sich in einem Nebenraum, der die Videoarbeiten Session, Traces und Jaming zeigt. Statt Textilien und Ornamenten tritt hier die Musik in den Vordergrund. Instrumente und Orte sind die Protagonisten und werden durch die Darstellungsform in einen neuen Kontext verwoben. So hört man beispielsweise die Töne eines Blasinstruments, welche durch die Luft eines übergestülpten Ballons erzeugt werden. Schauplätze dieser musikalischen Szenen sind neben Stuttgart und Berlin, welche biographische Bezüge zur Kunstschaffenden herstellen, die Vereinten Arabischen Emirate (Session).
Die Musik fungiert nicht nur zwischen diesen drei Videoarbeiten als Bindeglied, sie zieht sich auch als roter Faden durch die gesamte Ausstellung. Die Gruppe Resonator bildet eine Reihe von Objekten, die einerseits statische Skulpturen und anderseits spielbare Instrumente sind. Resonator Percussion vereint verschiedene Elemente von Schlaginstrumenten. Sie sollen nicht bloß den Anschein von Spielbarkeit erwecken, sie werden sogar in der Ausstellung zu bestimmten Zeiten von Musiker*innen zum Klingen gebracht. Dabei können mehrere Personen an einem Objekt gleichzeitig agieren und stellen eine melodische Verbindung miteinander und mit den Instrumenten her.
Nevin Aladağ, Resonator Percussion, 2019, Edelstahl, Furnierholz, Leder, Bronze, © VG Bild-Kunst, Bonn 2024, Foto: Trevor Good
Nevin Aladağ, Raise The Roof (Venice), Videostill, 2017, Video, 8:24 min, © VG Bild-Kunst, Bonn 2024, Foto: Raphael Beinder
Immer wieder vereint Aladağ überraschende Elemente und schafft neuartige Verbindungen. Auch Alltagsobjekte werden miteinbezogen, sodass die Lampen (Colour Floating ) durch übergestreifte Nylonstrümpfe eine völlig neue Wirkung erhalten. Sie sind kaum noch als ursprünglicher Gegenstand zu erkennen und lassen sich nur noch aufgrund des farbigen durchscheinenden Lichts erahnen.
Interlocking lässt die Besucher*innen auch direkt an der Kunst teilhaben und lädt ein, mit den Werken zu interagieren. Das Teppichballspiel ermöglicht, was zunächst nicht zusammen zu passen scheint: Ein Basketballspiel in einem Museumsraum. Trotz ihrer Ummantelung mit Teppichfragmenten werden die Basketbälle ihrer ursprünglichen Funktion nicht beraubt, sondern können zum Spielen genutzt werden. Das Teppichballspiel schafft eine Interaktion zwischen der Kunst und ihren Betrachter*innen. Sie schauen nicht bloß zu, sondern sind aktiv beteiligt. Die Besucher*innen selbst werden Teil des Geflechts, welches in der Ausstellung entsteht.
Interlocking war vom 10.03.2024 bis zum 30.06.2024 im Max Ernst Museum in Brühl zu sehen.