Mit seinen Zeichnungen bildet Piotrowski allerdings nicht nur ein Gesellschaftsbild ab. Da er viel auf seinem eigenen Arbeitsweg zeichnet, fängt er auch die Stimmung in den öffentlichen Verkehrsmitteln ein, die er charmant als „Feierabend-Emotionen“ beschreibt. Das Betrachten seiner Bilder kommt fast einer Sozialstudie gleich. Die meisten Menschen sind in sich gekehrt, vertieft in eine Tätigkeit oder suchen mit ihren Augen die wenigen Leerstellen in der Bahn. Deshalb zeigen die meisten seiner Bilder auch Einzelpersonen, die nicht in Kontakt mit anderen stehen. Hier scheint jeder zu versuchen die Gesellschaft der anderen auszublenden. „Vielen kann man sogar ihre Anspannung anmerken“, sagt Piotrowski. Manchmal verhindert es aber auch die Zeit, Konversationen festzuhalten. Ein Beispiel ist der braunhaarige Junge, der auf den leeren Sitz neben sich schaut. „Eigentlich sprach er mit seiner Freundin, die kurze Zeit später die Bahn verließ.“ Piotrowski zeichnet ausschließlich die Personen, die er in der Bahn erlebt. Steigen sie frühzeitig aus, bleiben sie unvollendet wie die Frau links des Jungen. Einige Zeichnungen sind auch die Kombination von zwei unterschiedlichen Momentaufnahmen, die er nacheinander skizziert und wie in einem Zeitraffer zusammenbringt.
Aus den unterschiedlichen Zeichnungen, die Piotrowski auf Instagram (
subwaystudies) postet, ist nun ein Buch entstanden: „Subway Studies“. Dieses zeigt viele seiner Straßenbahnbegegnungen, unterschiedlichste Menschen im konformen Akt des Straßenbahnfahrens. Durch die strahlenden Farben erhalten sie einen comichaften Charakter, die ebenso viele Geschichten erzählen und Fragen aufwerfen wie im Alltag – mit dem Buch wird diesen Situationen mehr Aufmerksamkeit geschenkt. Piotrowski verleiht einer solch simplen Idee eine ungeheuerliche Ausdruckskraft, die vielen Menschen sicherlich nicht nur bekannt vorkommt, sondern auch ein schmunzeln ins Gesicht zaubert.