„Bööörne“ ruft Kriminalhauptkommissar Frank Thiel immer, wenn er an einem Sonntagabend um 20.15 Uhr im Tatort Münster mal wieder erfolgreich bei der Spurensuche war. Natürlich gehen auch im echten Leben Detektiv: innen und Kommissar: innen dieser Tätigkeit nach. Doch diese Personengruppen sind nicht die einzigen, die solch eine Suche betreiben. Wir alle suchen und finden tagtäglich Spuren in unserer Vergangenheit. Wir sammeln und hinterlassen sie und manch einer verwischt die seinen. Und so sind auch die drei interdisziplinär agierenden Kunststudentinnen aus Maastricht Daan Geertman, Lea Montalbetti und Anna Cambier auf Spurensuche gegangen, um sich mit abstrakten Gefühlen wie der Angst vor dem Vergehen der Zeit, Nostalgie oder Trauer zu befassen. Diese Auseinandersetzungen mit dem Thema der Vergänglichkeit wurden in der Gruppenausstellung „Spuren“ vom 9.-12. Juni in der Fabrik45 zusammengeführt.
Für die Multimedia-Installation Die Körperhaltung des Todes (2022) sammelte Daan Geertman im Vorfeld durch Befragungen Assoziationen zum Tod. Ihr Ziel war es, die Tabuisierung dieser Thematik zu durchbrechen. Auf Grundlage dieser Interviews versuchte Geertman die verschiedenen Vorstellungen fassbar zu machen, um so poetische Reflexionen und Gedanken während dieses Prozesses aufzunehmen. Die Installation bestand aus einem Holzgerüst sowie einem Vorhang. Um in die Installation einzutauchen, konnten die Betrachter: innen Kopfhörer aufsetzen. Unterfüttert wurde dies durch zwei Videos, welche etwa 5 Minuten lang waren. Direkt am Eingang der Fabrik45 befanden sich auf einem Tisch Fragen für die Besucher: innen der Ausstellung. Welche Trauererfahrungen tragen Sie mit sich? Woher haben Sie ihre Vorstellungen vom Tod? Wie würden Sie einem Kind die Sterblichkeit erklären? Durch die Beantwortung dieser Fragen wurden die Erfahrungen der Besucher: innen jedes Mal Teil der Installation und schafften so ein Mosaik aus unterschiedlichsten Perspektiven zum Tod.
Im letzten Jahr besuchte Lea Montalbetti verschiedene Bezugspunkte in Ostdeutschland, Südfrankreich sowie die Stadt Warschau, welche allesamt einen Beitrag zur Identität ihrer Familie leisteten. Ihre Installation Verblassen (2022), ein aus Holz, Papier, Cyanotopie, Fundstücken sowie Steinen bestehendes Mobile, stellte die ständige Suche nach Heimat und dem Vertrauten dar. Begleitet durch einen Kurzfilm, welcher in Mazaugues in Südfrankreich gedreht wurde. Die Fundstücke und Fotografien sorgten für die innere Balance des Mobiles. Überall waren Gesprächsteile auf Papierstücken zu sehen, welche aus den Konversationen mit ihrer Großmutter entnommen worden sind. Montalbettis Urgroßmutter kam nach dem zweiten Weltkrieg als Flüchtling nach Ostdeutschland, wo ihre Tochter in der damaligen DDR aufwuchs und später als junge Mutter nach Warschau zog. Die Kunststudentin kreierte durch den Austausch mit ihrer Großmutter einen Gleichklang von Heim- und Fernweh. Mit ihrer Erinnerungsschachtel wollte sie aufzeigen, dass Orte und auch Fundstücke manchmal zu Trägern der Nostalgie und unserer Erinnerungen werden. Und auch bei ihr wurden die Betrachter: innen zum Partizipieren aufgefordert. Auf einem weißen Tisch stand eine rote Schreibmaschine, auf welcher die Besucher: innen Gedanken und Erinnerungen an Großeltern oder Heimweh aufschreiben und das Geschriebene dann anschließend auf einer Sandlandschaft mit einem Stein beschweren konnten. Im Laufe der Zeit sollten diese genau wie unsere Erinnerungen verblassen.
Wie kann man den privaten Umgang mit Demenz künstlerisch verarbeiten? Das abstrakte Zuhause „Women Waltzing In Time“ (2022) von Anna Combier bietet eine Antwort auf diese Frage. Der Titel spielt auf das Haus der Frauen an, welche in der Zeit walzten. Und im Laufe der Zeit bleiben nur wenige Worte übrig – tief verwurzelt und bewahrt. Doch wie kann man sich ausdrücken, wenn die Worte nicht mehr da sind? Die Installation stellt die unverblümte Realität von Frauen dar, die mit Demenz leben. Das Projekt hat die Kunststudentin letztes Jahr in Brighton, England realisiert. Inspiriert wurde das Werk durch das Haus von Combiers Großmutter. Die Arbeit visualisiert die Vergänglichkeit von Erinnerungen und die des Selbst. Überall in der Installation waren Spuren aus der Vergangenheit verteilt, welche Combier nicht nur für ihre Großmutter, sondern auch für sich selbst gesammelt hat. Und nicht nur, um sie einfach zu sammeln, sondern auch, um sie zu verarbeiten. Woman Waltzing in Time ist eine Charakterstudie vom 18. bis zum 81. Lebensjahr der Großmutter, in welcher jeder Akt des Erinnerns zu einem Akt der Schöpfung wird.
Die Ausstellung „Spuren“ fand vom 9. - 12. Juni in der Fabrik45 statt. Im Herzen des Macke-Viertels zwischen der Viktoriabrücke und dem Kult41 ist die Fabrik45 ein Hort für junge Kreative. Alle Künstler: innen und jede Künstlergruppe ist selbst für das Programm und die Ausstellung verantwortlich.
„Hier möchten wir Kunst und Kultur für jedermann zugänglich machen“.