Schmerz, Grenzen, Kraft, Ausdauer – Marina Abramović fasziniert und polarisiert seit fast fünf Jahrzehnten mit ihren radikalen Performances. Mit der aufwendigen europäischen Retrospektive
The Cleaner, die nach Stationen im Moderna Museet Stockholm und dem Louisiana Museum of Modern Art in Humblaek ab dem 20. April in der Bundeskunsthalle in Bonn präsentiert wird, soll das umfangreiche Œuvre der 1946 in Belgrad geborenen Künstlerin nicht nur gezeigt, sondern auch für die Besucher erfahrbar werden.
Eingeleitet wird die große Schau mit Abramovićs nahezu ikonischer Langzeiterfomance
The Artist is Present von 2010, bei der die Künstlerin wochenlang im Museum of Modern Art in New York anwesend war und Besucher einlud, ihr gegenüber Platz zu nehmen und auf unbestimmte Zeit über einen Tisch hinweg schweigend mit ihr in Kontakt zu treten. Zahlreiche kleinformatige Videoaufnahmen sowohl von Abramovićs Gesicht als auch den zahlreichen ihrer Gegenüber flankieren die Wände, gefolgt von einem die Ursprungssituation simulierenden Aufbau aus zwei Stühlen und einem Tisch. Der Rundgang führt anschließend weitgehend chronologisch durch das Schaffen Abramovićs, wobei den sowohl privat als auch künstlerisch sehr intensiven Jahren mit Abramovićs langjährigem Kunst- und Lebenspartner Ulay (Frank Uwe Laysiepen) viel Raum gewidmet wird.
Um dem vielfältigen Werk der Künstlerin nachzuspüren werden mehrere konzeptuelle und mediale Formen kombiniert: Zahlreiche mitunter großformatige Fotografien, Klang-, Objekt- und Videoinstallationen sollen Einblicke in die ursprünglichen Aufführungssituationen der Perfomances geben. So ist etwa das berühmte Eiskreuz aus der aufsehenerregenden Performance
Lips of Thomas von 1975/2005 samt weiterer Requisiten zu sehen, bei der Abramović sich auspeitsche und mit einer Rasierklinge ein Pentagramm in den Bauch ritzte, welches, während sie reglos auf einem Kreuz aus Eisblöcken lag, durch den darüber befindlichen Heizkörper unentwegt blutete, bis das Publikum schließlich eingriff und die Performance beendete.
Neben diesen dokumentarischen Elementen ist es jedoch erklärtes Ziel der Ausstellung, die teilweise Jahrzehnte alten Arbeiten für die Jetzt-Zeit zu aktualisieren und für den Besucher erfahrbar werden zu lassen. So sind sowohl Re-Performances durch speziell ausgebildete Performer als auch partizipative Momente, die den Besucher einladen bestimmte Erfahrungen der
Abramović-Methode nachzuempfinden, in die Schau integriert. Täglich wird etwa das gemeinsam mit Ulay 1977 in der Galleria Cummunale d‘Arte Moderna in Bologna erstmals realisierte Werk
Imponderabilia wiederaufgeführt. Hierbei standen Abramović und Ulay sich für 90 Minuten nackt im schmalen Eingang des Museums gegenüber, sodass die Besucher allein durch das Passieren dieses engen menschlichen Rahmens in die Ausstellung gelangen konnten. Gegenüber dieser ursprünglichen Situation bietet die Bundeskunsthalle ihren Besuchern einen alternativen Weg im Verlauf des Ausstellungsrundgangs. Ebenfalls zu bestimmten Terminen während der Laufzeit der Ausstellung re-performed werden die beiden Arbeiten
Luminosity von 1997, bei dem eine Performerin in hellem Licht nackt auf einem erhöhten Fahrradsattel sitzt, und
Art must be beautiful/Artist must be beautiful von 1975, bei der die den Werktitel bildenden Sätze fortwährend wiederholt werden, während das Haar des Performers mit Kamm und Bürste energisch gekämmt wird.