Tot, Töter, am Tötesten

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Die Künstlerin Susan Donath(*1979) erhält am 7. Januar den Dr. Theodor-Simon-Kunstpreis 2016 der Bundes-GEDOK (Verband der Gemeinschaften für Künstlerinnen und Kunstförderer) für ihr künstlerisches Oeuvre. Anlässlich der Preisvergabe wird im Künstlerforum ihre Einzelausstellung „Den Toten“ eröffnet. Mit Le Flash sprach sie im Vorfeld über Totenkulte, ihr Kunstprojekt in Tschechien und wieso Sterben nicht ausschließlich negativ konnotiert sein muss.
Le Flash: „Den Toten“ ist der Titel ihrer Ausstellung, in der Sie sich mit der Sepulkralkultur beschäftigen. Gleichzeitig trägt auch ihr Kunstprojekt in der tschechischen Stadt Ústí ned Labem (Nordböhmen an der Elbe) diesen Namen. Worum geht es genau bei diesem Projekt?

Susan Donath: Es handelt sich um ein deutsch-tschechisches Grab auf einem tschechischen Friedhof, der in einem Gebiet liegt, wo vor dem Zweiten Weltkrieg Deutsche und Tschechen nebeneinander gelebt haben. An dem Ort ist es so, dass nach dem Zweiten Weltkrieg die deutsche Bevölkerung, also die Sudetendeutschen, vertrieben wurden. In dem Fall waren es ca. 60% der deutschen Bevölkerung. Sie sehen es ja schon an der Projektion im Medienraum: es gibt diese Gräber der ehemaligen deutschen Bevölkerung, die im Besitz des tschechischen Staates sind. Es wird unterschiedlich gehandhabt, was mit den Gräbern passiert. Es gibt nach 1945 das Modell, bei dem deutsche Friedhöfe komplett abgeräumt und neu bebaut wurden. Dann gibt es im anderen Extremfall Friedhöfe, wie wir es auch in Deutschland haben, die unter Denkmalschutz gestellt sind und es gibt Heimatverbände von Tschechen oder Sudetendeutschen, die die Friedhöfe bewirtschaften, betreiben und pflegen.
Tot, Töter, am Tötesten

Status 2011, City-Light-Poster, © Le Flash

Hier ist es jetzt eine Mischform, die Gräber werden offiziell nicht gepflegt auf dem Friedhof. Die Friedhofsverwaltung pflegt sie nur notdürftig, das heißt, dass Gras und Laub abgekehrt wird. Es ist natürlich so, dass es auf einem tschechischen Friedhof anders aussieht als auf einem, ich sag mal, evangelischen oder städtischen Friedhof in Deutschland. Sie werden viel opulenter gepflegt und dadurch wird die Differenz viel krasser deutlich als bei uns auf einem herkömmlichen Friedhof.
Mich hat das damals einfach sehr berührt, dass sich da zwei Seiten so krass gegenüberstehen und irgendwie scheinbar gar keine Verbindung mehr haben. Damals war ich mit Studenten da und ich war total schockiert, weil ich das immer so empfunden habe, es stehen sich zwei Seiten gegenüber und da ist eigentlich eine gemeinsame Geschichte. Ich wollte ein deutsches Grab pflegen, um Vergangenem wieder eine Aktualität zu geben und zu ergründen wie wir Menschen mit dem Tod umgehen. Dann habe ich explizit nach einem deutsch-tschechischen Grab gesucht, weil es mir auch einfach wichtig war, wenn ich da irgendwas mache, dass ich kein rein deutsches Grab nehme, sondern ein gemischtes Grab. In dieser Reihe gab es zufällig ein deutsch-tschechisches Grab und da habe ich mich zunächst um die Eigentumsverhältnisse gekümmert.

Le Flash: Wie oft sind Sie dort, um das Grab zu pflegen?

Susan Donath: Ich fahre einmal im Monat nach ÚstÍ und pflege dieses Grab. Im Winter natürlich nicht, aber sonst mach ich das.

Le Flash: Streng genommen zweckentfremden Sie das Grab für ein Kunstprojekt. Wurde Ihnen einmal die Störung der Totenruhe vorgeworfen?

Susan Donath: Nein, gar nicht. Auf dem Friedhof ist das ganz positiv aufgenommen worden. Als Pflegerin darf ich das Grab herrichten und es gab nur positive Resonanz, obwohl es am Anfang komisch war, weil wir dann irgendwann mit Freunden oder Familie, Kollegen, Kunsthistorikern vor Ort waren und deutsch gesprochen haben. Aber jetzt ist es völlig normal. Kritik gab es nur von Künstlerkollegen. Da kam dann die Hauptfrage, ob es Kunst ist oder nicht. Das ist immer die Hauptproblematik. (grinst)
Le Flash: „Den Toten II“ ist eine Erweiterung Ihres Projekts in Tschechien. Sie haben Fotografien der deutsch-tschechischen Grabanlagen auf großen Werbetafeln in der Stadt vor einer Hausfassade angebracht. Im Gegensatz zu den Schockbildern, die seit kurzem die Zigarettenschachteln zieren, wirken diese Darstellungen wie eine leise Kritik oder der Wunsch, darauf aufmerksam zu machen. Kennen Sie Reaktionen auf diese Arbeit?

Susan Donath: Also es ist so, die direkte Resonanz vom Friedhof kann ich wiederspiegeln, weil ich dort war oder Leute mich angesprochen haben. Am Anfang war es so, dass ich einen Kurator angesprochen habe, der gesagt hat, es ist ihm zu heiß. Gerade wir Deutschen haben schon eine andere Auseinandersetzung mit Geschichte als in anderen Ländern. Man muss immer ein bisschen vorsichtig sein, wer welche Begrifflichkeiten hat. Dieser Kurator hat dann aber gesagt, jetzt wo es läuft und ich sehe, wie es ist, will ich die Fotografien in der Stadt haben. So war es nur auf dem Friedhof, man sah es nur auf dem Friedhof und es betraf im Prinzip auch nur die Leute, die sich auf dem Friedhof bewegt haben. Ich habe es gar nicht als Kritik gesehen, sondern mehr als Gegenüberstellung, wie ich das Grab und die zwei Welten vorgefunden haben und wie sich diese zwei Welten für mich verbinden.

Le Flash: Geht es bei den Werken „Grabgesteck für Schneewittchen“, „Für A“ oder „Schwarz-Rot-Gold“ wortwörtlich ums Sterben oder wird hier das Sterben zu einem symbolischen Motiv?

Susan Donath: Sterben wird zum Motiv. So schön formuliert, habe ich es noch gar nicht gesehen. Es ist ein Überbegriff, bei dem, wie ich persönlich finde, eine spannende Veränderung entsteht. Es stellt sich die Frage, ist das wichtig. Für wen ist das wichtig, war das wichtig und kommt später jemand, für den es wichtig wird oder ist im positiven Sinne etwas Schreckliches vorbei. Das kann auch ein Ende sein. Ich habe zum Beispiel an die Gedenkstätte Buchenwald gedacht.

Le Flash: Sie haben eine Ausbildung zur Steinmetzin, richtig? Sehen Sie sich heute noch als Steinmetzin oder wie würden Sie Ihr künstlerisches Werk beschreiben?

Susan Donath: Ich würde sagen, ich bin Bildhauerin, primär. Ich habe mal eine Berufsausbildung als Steinmetzin gemacht, es ist aber nicht mein Beruf in dem Sinne von Berufung oder berufen sein.

Le Flash: Das Jahr 2017 steckt noch in den Kinderschuhen. Wo soll es 2017 für Sie als Künstlerin hingehen?

Susan Donath: Ich baue jetzt erstmal diese Ausstellung auf, es ist für mich eine sehr große Chance. Eine Chance in dem Sinne, so viele Arbeiten nebeneinander zu sehen, und der Raum ist so groß, dass man Platz hat, größere Arbeiten aufzubauen. Diese Option habe ich für gewöhnlich nicht und es ist spannend zu sehen, inwiefern sich die Arbeiten befruchten oder sich abstoßen.

Wie die Anziehungskräfte zwischen Susan Donaths Werken wirken, könnt Ihr Euch ab dem 7. Januar in der Ausstellung „Den Toten“ im Künstlerforum ansehen. Zur Ausstellung erscheint auch ein Katalog.

07.01. -28.01.2017
Den Toten – Susan Donath
Dr. Theobald Simon Kunstpreis 2016 der Bundes- GEDOK

Eröffnung am Samstag, den 7. Januar 2017, um 19 Uhr
mit einer Begrüßung von Prof. Ulrike Rosenbach und einer Laudatio von Dr. Gabriele Uelsberg, Direktorin LVR-LandesMuseum Bonn